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Balbina: Fragen über Fragen

Viel Style, wenig Gehalt ist ein Vorwurf, dem Balbina sich immer wieder stellen muss. Und genau damit spielt sie auf dem neuen Album „Fragen über Fragen“.

Balbina ist noch ganz beseelt. Zwei Tage zuvor hat die Berlinerin ihr neues Album live vorgestellt – in Begleitung des Babelsberger Filmorchesters. „Das war das größte Erlebnis meines Lebens“ schwärmt sie am Telefon und erzählt, wie sich die 70-Minuten-Performance für sie wie zwei Zigarettenlängen angefühlt hat. Balbina im Zeitrafferrausch.

So viel Gefühl überrascht ähnlich wie die orchestrale Opulenz, die sich die 33-Jährige auch für „Fragen über Fragen“ zunutze gemacht hat. Gemeinsam mit dem bulgarischen Sofia Symphonic Orchestra hat sie die Songs ihres dritten Albums eingespielt und damit ganz bewusst einen Schritt weg vom eigenbrötlerischen Prozess der Vorgängerplatte gemacht. Komponierte Balbina für „Über das Grübeln“ die Songs weitgehend komplett mit allen Instrumenten zuhause, um im Studio vorzugeben, an welcher Stelle Klavier oder Drums eingesetzt werden sollen, erarbeitete sie „Fragen über Fragen“ erst am Klavier, um dann im Studio das weitere Arrangement zu entwickeln, auf das wiederum das Orchesterarrangement aufbaut. „Es ist vom Kleinen ins Große gegangen“, erklärt die Musikerin den Prozess.

 

Das Kleine ist trotzdem geblieben. Denn bei allem orchestralen Schwelgen, ihre Vorliebe für klare Linien und Formen hat die Musikerin beibehalten. Schließlich war es auch ihr Look, der Balbina vor zwei Jahren den Durchbruch ermöglichte: Bauhauskostüme, puppenhaft verfremdete Gesichtszüge bildeten die Optik für eine Popsprache, die Vergleiche von Lady Gaga bis Dada nach sich zog.

Auf „Fragen über Fragen“ sind die Lyrics noch simplifizierter, die Wörter noch repetitiver und der Wortsinn stellt sich noch geschickter ein Bein – eins über das es zu stolpern lohnt. Und ein Titel wie „Der Dadaist“ spielt genau auf die Epoche an, in der bewusst herbeigeführte Zufälle und vermeintliches Chaos zur Antikunstform erhoben wurden. Auch für Balbina eine inspirierende kulturelle Strömung: „Ich habe mich beim Dadaismus immer gefragt, wie viel Konzeption, wie viel Gefühl dahinter steckt und ob das, was nach außen erreicht wird, auch das ist, was vom Künstler gewollt ist.“ Die Künstlerin erkennt in ihren eigenen Songs, dass das, was wie eine zufällige Aneinanderreihung von Worten klingt, ein beabsichtigtes Mit-dem-Finger-drauf-zeigen ist. „Nach dem Motto: da da ist was. Und was andere vielleicht gar nicht sehen oder trivial finden, fällt mir aus einem bestimmten Grund auf.“

 

Wer so verkopft um die Ecke und noch zwei weitere denkt, gilt nicht umsonst als entweder wahnsinnig intellektuell oder bloß bescheuert banal. Die einen feiern Balbina als eine der aufregendsten hiesigen Popstimmen, die anderen wollen einfach nur abschalten, wenn sie in Kastenkleid und bewegungsloser Miene über den Bildschirm flimmert. Der Berlinerin sind beide Reaktionen willkommen. Und beim Begriff banal erhebt sie ohnehin Einspruch. „Banal ist relevant“, sagt sie im Brustton der Überzeugung und schließt direkt die nächste philosophische Betrachtung hinterher: „Natürlich ist es banal zu sagen, dass der Himmel in der Pfütze schwimmt, aber weder ist es selbstverständlich dass eine Pfütze oder der Himmel existieren, noch, dass es eine Reflektion gibt. Banale Dinge wie diese machen unsere Existenz aus.“

 

Entsprechend sinniert Balbina auf „Fragen über Fragen“ vom Milchglas über das Trübsaal bis hin zum Glück, das es aber nicht ohne ein vorheriges „Das Sinnlos“ gibt. Musikalisch kommt das – trotz Orchester – sicherlich nicht bei jedem an. Für Balbina kein Problem. Denn so selbstverständlich sie philosophisch argumentiert, so leicht zieht sie auch Referenzen zur modernen Kunst aus dem Ärmel. „Jonathan Meese hat mal gesagt: Wenn man Kunst macht, spielt man. Und wenn man spielt, kann man nicht davon ausgehen, dass man gewinnt. Ich spiele einfach und tue das, was ich am besten kann und wie das Ergebnis am Ende bewertet wird, ist nicht entscheidend.“ So banal ist das.

 

Verena Reygers

 

 

 

TOUR:

28. 3. Leipzig

29. 3. Dresden

30. 3. Erlangen

31. 3. Stuttgart

2. 4. München

5. 4. Heidelberg

7. 4. Köln

8. 4. Münster

10. 4. Hannover

11. 4. Dortmund

12. 4. Hamburg

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