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Der Nachtmahr

Der Psychohorrorfilm „Der Nachtmahr“ beweist, was für Kraft und Kreativität im deutschen Kino stecken kann.

„Der Nachtmahr“ beginnt mit einer Hinweistafel. Epileptikern sei zur Vorsicht geraten, steht da. Und: Dieser Film sollte unbedingt laut abgespielt werden. In der Tat überreizt Regisseur Achim Bornhak alias Akiz schon nach wenigen Minuten die Sinne mit Stroboskopgeflacker und dröhnendem Techno. Da ist sie wieder, die Wild- und Ungezügeltheit, die dem deutschen Kino so lange gefehlt hat. „Der Nachtmahr“ ist ganz ohne öffentliche Fördermittel entstanden, das heißt auch: ohne kreative Fesseln, weder gefällig noch geschmäcklerisch.

Die 17-jährige Tina (Carolyn Genzkow) wird von einer unheimlichen Kreatur heimgesucht. Mit fast zärtlicher Hingabe schildert Akiz, wie sich Tina dem Gollum-artigen Geschöpf annähert – die Materialisierung jenes diffusen Gefühls, das entsteht, wenn man jung ist, sich unverstanden fühlt, um Akzeptanz ringen muss. Der Film fängt sensibel und konfrontativ den Schmerz adoleszenter Selbstfindung ein, erschafft dabei ein Monster, das nicht als Antagonist fungiert, sondern Tina am Ende triumphieren lässt über ein Umfeld, das auf ihre Verwirrung nur eine Antwort kennt: Verdrängung. Akiz paraphrasiert Steven Spielbergs „E.T.“, wenn zwischen der Protagonistin und dem Wesen gar eine metaphysische Verbindung entsteht, auch der Teen-Angst-Horror eines Wes Craven („Nightmare on Elm Street“) kommt einem in den Sinn. Bei aller Genrekenntnis und Zitiersicherheit ist „Der Nachtmahr“ aber in jedem Moment eigenständig und eigenwillig.

Nach „Wild“ von Nicolette Krebitz und dem Cannes-Wettbewerbsteilnehmer „Toni Erdmann“ ein weiterer deutscher Film abseits der ausgelatschten Pfade. Geht doch! (sb/vs)

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