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Imran Ayata – Ruhm und Ruin

Tindersex und Kurdenbashing: „Ruhm und Ruin“ von Imran Ayata

Der Mikrokosmos Fußballklub ist gemeinhin – wenn man vom Amateurfußball spricht – so muffig wie die Luft in der Umkleidekabine kurz nach dem Abpfiff. Imran Ayata aber hat die Fenster aufgerissen und kräftig durchgelüftet. Vor zwei Jahren wurde sein Stück „Liga der Verdammten“ im Ballhaus Naunynstraße in Berlin von Neco Çelik inszeniert, jetzt liegt der Roman zum Theaterstück vor: „Ruhm und Ruin“.

Grundlage für Theaterstück wie Roman waren Interviews mit elf Spielern und Funktionären des legendären Berliner Migrantenvereins Türkiyemspor, der in den 1980ern und 90ern bis zu 12 000 Zuschauer zog und kurz vor dem Aufstieg in die zweite Bundesliga stand. Doch kein Spielbericht, nicht eine einzige Fußballszene bestimmt den Roman, nicht mal, wenn Arda von sich erzählt, der es bis zum Bundesligaspieler gebracht hatte, ehe er wegen einer schweren Verletzung wieder zu seinem Kiezklub zurückkehren musste.

Stattdessen weisen Spannungen und Reibereien weit über den Klub hinaus, so etwa die Ressentiments Ardas gegenüber dem Kurden Zafer, die er sich auch nicht von Komünist Yusuf ausreden lässt, der wohl treuesten Seele des Vereins. Ardas Schwester Yasemin hat Probleme mit ihrer Karriere als Modedesignerin, die Anschubfinanzierung durch Arda blieb nach dessen Verletzung aus. Dass sie Geschmack an lockerem Tindersex gefunden hat, darf keiner in der Community wissen, nicht mal ihre beste Freundin Saskia, die in feinstem Fummel rumläuft, seit sie für einen Escortservice arbeitet. Imran Ayata hat nur wenige Seiten für jeden seiner Protagonisten, aber er ist – um mal in der Fußballsprache zu sprechen – ein exzellenter Dribbler auf engstem Raum mit dem Blick für die Spieleröffnung.

Ob Türk Richard von seiner Begeisterung für den Klub spricht, von seiner besonderen Rolle als Schwarzer mit Bundesverdienstkreuz und von seiner Mittlerrolle zwischen Fußballklub und politischem Parkett; ob der so gebildete wie sensible Zafer von seiner unglücklichen Liebe zu Ulrike spricht, die er im Mai 2000 für eine Nacht kennenlernte und mit der er sich besoffen hat; ob die Soziologin Angela von ihrem Spagat zwischen Mutterdasein, Beruf und Fußballaufsichtsrat berichtet: Immer schafft Imran Ayata extreme Nähe durch Subjektivität. Sein Buch ist ein Kaleidoskop, gerichtet auf einen Berliner Fußballklub. Was wir sehen, ist das pulsierende Leben unserer Gesellschaft mit all ihren Facetten und Farben. jw

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