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John Darnielle: Wolf in white Van

„Wolf in white Van“ von John Darnielle konfroniert die Leser mit ihrer eigenen Verlorenheit.

Es gibt Songwriter, denen man ohne weiteres Romane zutraut, und bei John Darnielle von den Mountain Goats lechzte man schon viele Jahre nach einer literarischen Veröffentlichung, auch wenn – oder gerade weil – alles andere als ein Wohlfühlbuch zu erwarten war. Natürlich ist da der Irrglaube, man könne seinen Protagonisten weit von sich wegschieben: Sean ist ein junger Mann, dessen Gesicht seit dem 17. Lebensjahr durch einen vermeintlichen Unfall ganz fürchterlich entstellt ist. Fortan meidet er so gut geht die Öffentlichkeit und flüchtet sich nicht nur einfach in Fantasiewelten, sondern finanziert damit auch sein Einsamkeitsexil: Sean erfindet das Rollenspiel „Trace Italian“, das in einem postapokalyptischen Amerika spielt, bei dem sich die Mitspieler auf die Suche nach einem sicheren Zufluchtsort begeben. Wer mitmachen will, schickt ihm per Post seinen Zug und erhält von Sean im Gegenzug eine Beschreibung, mit welchem Szenario es im nächsten Level weitergeht. Von all dem erzählt Darnielle mit einer schmucklosen Sprache, die nichts ausdeutet, sondern einfach nur präzise beschreibt. Auch davon, wie ein Mädchen stirbt, weil sie die real existierende Welt nicht mehr von der im Rollenspiel unterscheiden kann. Und so sehr man auch meinte, mit Fantasywelten und all der Freakscheiße nichts zu tun haben, landet man als Leser doch bei der eigenen Verlorenheit. „Wolf in white Van“ führt einen zu einem Gefühl, das sich nicht präzise beschreiben lässt. Deswegen hat man sich vor diesem Buch gefürchtet – und lechzt schon nach einem zweiten Roman von John Darnielle. cs

John Darnielle Wolf in white Van
Eichborn 2016, 256 S., 18 Euro
Aus d. Engl. v. Tobias Schnettler

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