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Körper und Seele

Der Berlinale-Gewinner "Körper und Seele": Endre und Maria träumen jede Nacht dasselbe – langsam nähern sich die beiden Einsamen an.

„Träume sind die Sprache der Seele“, lautet ein Aphorismus. Schlachthofleiter Endre (Géza Morcsányi) und Schlachthof-Qualitätsprüferin Maria (Alexandra Borbély) sagen ihre Seelen durch ihre Träume, dass sie offenbar irgendwie zusammengehören. Denn beide träumen jede Nacht, wie sie als Hirsch und Hirschkuh zusammen durch einen verschneiten Wald streifen. Die Schlachthofpsychologin fühlt sich verarscht, als sie das im Rahmen eines Routinetests erfährt – aber der einsame, einarmige Endre und die Sozialphobikerin Maria verstehen, dass sie trotz ihrer emotionalen und körperlichen Berührungsängste füreinander bestimmt sind.

Nur: Wie führt man die Bedürfnisse der Seele mit denen des Körpers zusammen, wenn man beides fein säuberlich voneinander getrennt hat, wie die Kühe im Schlachthof zerlegt werden? Und wie berührt man, wenn man körperlich (Endre) oder seelisch (Maria) verstümmelt ist? Endre schlägt vor, nebeneinander zu schlafen, um gemeinsam zu träumen. Maria beginnt derweil auf Anraten ihres Kinderpsychologen (!), Berührungen grundlegend zu lernen, was sie am auf den Tod wartenden Schlachtvieh und mit warmem Kartoffelpüree übt …

Körper und Seele ziehen sich wie ein roter Faden durch diesen Film: Endre und die anderen reduzieren die High Heels und Dekolleté tragende Psychologin, die ihre Seelen durchleuchtet, auf ihren Körper; immer wieder guckt man in die großen, fragenden Augen der massigen Kühe und die von Maria und fasst das als Aufforderung zur Seelensuche auf; Endre attestiert dem neuen, augenscheinlich grobschlächtigen Angestellten eine schwächliche Seele. Doch darf man vom Körper auf die Seele schließen? Muss man nicht beides getrennt betrachten, aber zusammendenken?

Ildikó Enyedi, die mit ihrer romantischen Arthouse-Dramödie bei der Berlinale den Goldenen Bären gewann, erzählt von der (Un)Möglichkeit von Nähe und Intimität, von Zeitlupenliebe in Zeitrafferzeiten, zwischen Menschen, die schon vergessen hatten, dass sie ja nicht allein sein müssen und die dann unter Einsatz ihres Lebens um ihre gemeinsame Zukunft kämpfen. Skurrile Liebende auf dem Pfad zum Glück, das ist kein neues Subgenre im Liebesfilm. Doch so, wie Enyedi das macht, mit diesem Mut zum erzählerischen Langmut und diesem ultralakonischen Witz an der Grenze zum Therapeutenhumor – so ist es wunderbar unkoventionell in seiner Konventionalität. vs

„Körper und Seele“ ist als DVD und Blu-ray im Handel erhältlich.

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