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Olaf Breuning: NRW-Forum, Düsseldorf

Nackte Kunst: Olaf Breuning in Düsseldorf.

In den 1950ern entwickelte Yves Klein sogenannte Anthropometrien: Die nackten Körper vorzugsweise hübscher Modelle wurden mit blauer Farbe bepinselt, worauf sie sich auf Leinwänden wälzten, während im Hintergrund ein Orchester die von Klein komponierte „Monotone Symphonie“ spielte. Was natürlich eine klug kalkulierte Scharlatanerie war: Klar, dass die Boulevardmedien sich weniger für die fertigen Gemälde interessierten als für den Entstehungsprozess und hier vor allem für die Fotos der daran beteiligten Schönheiten. Andererseits bekam Klein so selbst kunstfernste Kreise dazu, noch einmal neu über Malerei nachzudenken, zu verstehen, dass in ein Gemälde der Malprozess eingeschrieben und der eigentliche künstlerische Akt ist. Mission erfüllt.

Ein wenig erinnert Olaf Breunings Aktfotoserie „The Artfreaks“ an Kleins Vorgehen. Auch Breuning malt gut gebaute Körper farbig an und setzt mit den entstehenden Aufnahmen auf die Zugkraft von Vulven, Brüsten, Schwänzen. Aber: Die Körper sind nicht irgendwie bemalt, sondern sie sind entindividualisiert, tragen das Bodypainting als Masken, die ihrerseits bestimmte Momente der Kunstgeschichte zitieren. „Andy“ etwa ist ein Rekurs auf Andy Warhol, mit glamourös glänzendem Silberlack und den signifikanten Bananenschalen des Pop-Art-Übervaters. „Takashi“ bezieht sich auf den bonbonbunten Trash-Pop Takashi Murakamis, mit rosa Fleisch und breit grinsender Mangamaske.

Das Konzept von „The Artfreaks“ mag einfach aussehen, ist aber durchaus ausgeklügelt: Der 1970 im schweizerischen Schaffhausen geborene und seit 2001 in New York lebende Breuning nimmt eine Idee an der Grenze zwischen Alltagskultur, Pop und Populismus und lädt diese dann mit kunsthistorischer Bedeutung auf. Kunst und Kitsch, Highbrow und Lowbrow, Kommerz und Konvention, Plastik und Natur werden in einer hochtourig laufenden Ästhetikmaschine immer weiter miteinander vermischt, bis man sich in einer Gleichwertigkeit der Zeichen wiederfindet. Was einerseits zwar eine Aufwertung der Alltagskultur zur Folge hat, andererseits aber auch eine Popularisierung der Hochkultur. Jahrhundertkünstler Pablo Picasso wird zwar mit „Pablo“ auf eine Aktfotografie verkleinert, dennoch bleibt die künstlerisch sehr durchdachte Beschäftigung mit Picassos Ästhetik in der Körperbemalung des Modells bestehen. Das, was Breuning macht, ist immer weit mehr als nur ein Witz.

In Düsseldorf ist noch bis 21. August die bislang größte Einzelausstellung Breunings im NRW-Forum zu sehen – Fotografien, Videos, Zeichnungen und Installationen auf rund 600 Quadratmetern. Dieses wilde Genredurcheinander zeigt schon, wie wenig sich der Künstler um Zuordnungen zu kümmern scheint: Wichtig sind das Durch- und Miteinander, nicht die klare Linie. Das verbindet Breuning freilich mit den in den „Artfreaks“ wiederkehrenden Künstlern, mit Picasso und Warhol etwa, die ebenfalls begeistert neue Formen ausprobierten, wo diese sich anboten. Mit Yves Klein im übrigen ebenso, auch wenn dessen Grenzüberschreitungen weniger plakativ daherkamen und stärker in ein Gesamtkunstkonzept eingearbeitet wirkten.

Einer der „Artfreaks“ heißt übrigens „Yves“: ein blau bemalter, schlanker Körper in hingebungsvoller Pose, bereit, sich auf eine Leinwand zu werfen und die Kunstgeschichte neu zu denken. Schau an.

Falk Schreiber

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