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Pumarosa: The Witch

Dank ihres Überhits können sich Pumarosa auf dem Debütalbum „The Witch“ jetzt so einiges rausnehmen. Nur Lavalampen sollte man ihnen besser nicht in die Finger geben.

Auch Schlagzeuger Nicholas Owen schwärmt immer noch von „Priestess“, der Übersingle seiner Band Pumarosa. „Wenn du es schaffst, den Radiostationen einen fast achtminütigen Song reinzudrücken, kannst du dir als Band eigentlich alles rausnehmen, ohne ständig als Freaks bezeichnet zu werden.“ Zunächst sind da nur ein Bass und die hypnotische Stimme von Sängerin Isabel Muñoz-Newsome, die an Siouxsie Sioux und Jehnny Beth von Savages erinnert, doch ganz langsam baut sich das Stück auf, und nach und nach kommen Schlagzeug, Gitarre, Synthies und am Ende sogar ein Saxofon hinzu. Extrem tanzbarer Dreampop? Ein psychedelischer Wave-Jam? Kategorisierbar ist „Priestess“ nicht, doch man muss schon sehr verpupst drauf sein, um bei diesem Song nicht mitzugehen. Als es allerdings an die Aufnahmen für das Pumarosa-Debüt „The Witch“ ging, spürte Owen auch, dass so eine überzeugende erste Visitenkarte auch zur Last werden kann. „Es war schon ein großer Druck, dass wir Songs raushauen mussten, die da mithalten können“, gesteht er ein.

Zu einem so eigenwilligen Sound passt natürlich auch eine kuriose Bandbiografie. „Ein Bekannter hatte mich in seinen Proberaum eingeladen, weil er ein neues Projekt starten wollte – doch dann tauchte er nicht auf, und mit Isobel war nur noch eine Bewerberin da“, erinnert sich Owen. Sie legten trotzdem gemeinsam los, zunächst noch sehr punkig interpretierte Folksongs, und weil es zwischen den beiden so gut lief, suchten sie sich in den folgenden Monaten die weiteren drei Mitstreiter, was den Pumarosa-Stil je nach Phase über Kraftwerk-artige Elektronik, Kraut und Alternative bis hin zum heutigen Sound variierte. Nachdem sich das Londoner Quintett gefunden hatte, spielte es erste Konzerte in irgendwelchen runtergekommenen Industriehallen ihrer Heimatstadt, und sie folgten der Einladung eines italienischen Musikenthusiasten, der ein altes Kino an der kalabrischen Küste in ein Venue umfunktioniert hatte, um dort für mehrere Wochen an Songs zu feilen.

Am Ende war es aber ihr größtes Glück, an den Produzenten Dan Carey zu geraten – der dafür bekannt ist, das Studio einzunebeln und seine Lasermaschine anzuwerfen, damit die Bands es wagen, sich bei ihm gehen zu lassen. „Überall steht abgedrehtes Equipment rum, und wenn wir abends bei ihm rumgehangen haben, hat er über die absurd großen Boxen immer Sonic Youth gespielt“, schwämt Owen von der Zusammenarbeit. So stehen an der Seite von „Priestess“ jetzt der atmosphärische Opener „Dragonfly“, die rockige neue Single „Honey“ und „Lion’s Den“, ein Song, in dem Sängerin Muñoz-Newsome die Gentrifizierung in London anprangert. Lediglich bei der Live-Umsetzung des gelungenen Debüts müssen Pumarosa jetzt noch aufpassen, sich nicht zu übernehmen. „Auf lange Sicht hätte ich bei unseren Konzerten gern eine Dreamachine, diese überdimensionalen Lavalampen, die mittels des Stroboskopeffekts angeblich das Unterbewusstsein visualisieren können“, fantasiert Owen. Den Film „Bis ans Ende der Welt“ hat er noch nicht gesehen, doch er beherzigt die Warnung, dass die Figuren in Wenders’ Sci-Fi-Drama verrückt werden, als sie die Möglichkeit bekommen, die eigenen Träume zu visualisieren. „Dann wohl besser nicht“, kommentiert Owen leicht enttäuscht. „Aber vielleicht leiht uns Dan Carey zur Tour ja seine Lasermaschine.“

Carsten Schrader

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