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Sasa Stanisic kommt auf Lesereise

Fallensteller von Saa Stanii
Fallensteller von Saa Stanii

Sasa Stanisic liest aus seinem neuen Erzählband „Fallensteller“.

Sasa Stanisic verrät, wie es nach dem Fest weitergeht. Doch er nutzt seinen Erzählungsband auch, um sich endlich mal von der Sprache zu erholen.

Sasa, die titelgebende Erzählung deiner Textsammlung „Fallensteller“ kehrt an den Handlungsort von „Vor dem Fest“ zurück.
Dich lässt Fürstenfelde nicht los, oder?
Sasa Stanisic: Einige Figuren hatten für mich ein unbefriedigendes Ende, und da habe ich die Chance genutzt, zu schauen, wie es mit den einzelnen Figuren weitergeht. Aber ich wollte mich auch selbst ein bisschen auf die Schippe nehmen: Was ist mit dem Dorf passiert, nachdem der Schriftsteller weg ist? Und diese Teile sind dann auch authentisch – der Lesezirkel aus Lübeck war wirklich in Fürstenfelde. Vor kurzem lief auf RBB die 30-minütige Sendung „Heimatjournal“, in der sie auf den Spuren des Buches die einzelnen Figuren besucht haben.

Was war denn dein Auswahlkriterium für die restlichen Texte?
Stanisic: Ich habe lange über den Titel nachgedacht, da der Fürstenfelde-Text gar nicht die zentrale Erzählung sein sollte. Aber „Fallensteller“ passt einfach so gut, weil Fiktion ja immer eine Art von Falle ist: Man lockt jemanden in eine Welt, die man sich ausgedacht hat. Die Texte sollen einen Spagat zwischen meinen biografischen Bosnien-Bezügen und der Uckermark sein. Und in der Mitte liegt das, was mich zwischen den beiden Romanen geprägt hat: Texte über Deutschland und das Reisen.

Gab es wegen der aktuellen Entwicklungen eine neue Dringlichkeit, deine Flüchtlingsbiografie zu verarbeiten?
Stanisic: Die war schon da. Ich hatte sehr viele Anfragen abgelehnt, mich zu diesem Thema essayistisch oder in Interviews zu äußern, weil ich das Gefühl hatte: Nur weil ich das selbst erlebt habe, bin ich kein Experte. Ich habe keine Vorschläge, wie man Dinge besser machen kann, und sich nur zu beschweren, finde ich begrenzt gut. Eigentlich wollte ich ein Mosaik aus 38 kurzen Texten in dem Buch aufnehmen. Das ist eine Sammlung von alltäglichen Rassismen und Ungerechtigkeiten, aber ich hatte kein Gegengewicht dazu und wollte nicht nur Beobachtungen des Falschen bringen. Deswegen habe ich überlegt, was ich mit all den anderen Texten machen kann, um eine Berührung mit der Wirklichkeit herzustellen. Mehrstimmige, kleine Teile, die ein breites Spektrum abbilden, wie man mit diesem Thema umgehen kann, finde ich viel besser, als wenn ich mit starker Stimme nur Negatives proklamiert hätte.

Mit der Figur des Georg Horvath hast du dir in einer längeren Erzählung quasi eine Voodoopuppe gegönnt, die du wegen des zermürbenden Kampfes mit der Sprache und des Ringens um den richtigen Ausdruck attackieren kannst.
Stanisic: Neulich hatte ich meinen schlafenden Sohn im Tragetuch und schaute gerade etwas auf meinem Handy nach, als eine Radfahrerin mich im Vorbeifahren anblökte: „Das können sie nicht machen, sie passen nicht auf!“ Und: „Die Strahlen, die Strahlen, das Kind wird ganz dumm.“ Als ich zurückgiftete, das wäre ja wohl meine Sache, antwortete sie: „Aber das ist doch keine Sache, das ist doch ein Kind!“ Das war für mich die totale Niederlage auf allen Ebenen, und solche Situationen habe ich auch wahnsinnig oft beim Schreiben. Ich gebe Texte ab und merke später, dass es dem, was ich sagen will, überhaupt nicht nahe kommt. Diese Horvath-Figur sollte zum Handeln kommen, aber ich wollte gleichzeitig irgendwie durchschimmern lassen, wie dieses Bild, das da auf dem Papier steht, mir auch Probleme bereitet hat. Für mich ist es ein wichtiger Text, weil ich mich beim Schreiben von dem ewigen Streben nach präzisen Begriffen für präzise Vorgänge befreit habe. Ich konnte loslassen und auch mal ein schiefes Bild stehen lassen.

Man merkt besonders den kürzeren Texten an, wie sehr du sie als Raum zum Verschnaufen genutzt hast und etwa Figuren etablierst, die es sich leisten können, von der Welt bewegt zu sein und nicht von einem eigenen, inneren Unbefriedigtsein.
Stanisic: „Fallensteller“ war anstrengend, weil da die ganze Roman-Geschichte dranhängt und man wieder den Erzähler hat, der in jeden Ansatz eine Pointe reinbringen will. Ich war schon froh, mal auf die reine kurze Form zu gehen. Ich erschaffe da auch eigene Welten, aber sie haben keine Erzähler, die sehr viel Wert legen auf Sprachspiele oder die Pointiertheit des Ausdrucks. Sie erzählen einfach mal eine Geschichte.

Sasa Stanisic
Fallensteller
Luchterhand, 2016
282 S., 19,99 Euro

3. 11. Bremen
5. 11. Hamburg
9. 11. Seehausen / Riedhausen
10. 11. Garmisch-Partenkirchen
15. 11. Stade
16. 11. Hamm
17. 11. Duisburg
23. 11. Nordhorn
30. 11. Memmingen

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