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Schiller: Zeitreise

Gar nicht so leicht, mit Christopher von Deylen über 20 Jahre Schiller zu sprechen – wo doch das Thema ein einziges Tabu für ihn ist.

Christopher, deine letzte Platte hieß „Future“. Jetzt folgt noch im selben Jahr „Zeitreise“, dein erstes Best-of-Album. Ist die Ironie beabsichtigt?
Christopher von Deylen: Nein, das alles war so eigentlich nicht geplant. Im Zuge der Veröffentlichung von „Future“ kamen einige Menschen auf mich zu und meinten: „Herr Schiller, Sie nähern sich den 20 Jahren. Was gibt’s zum Jubiläum?“ Ich habe mich da leicht erschrocken, weil mir Rückblicke eigentlich gar nicht liegen. Für die Setlist der Tour musste ich aber wie immer kurz Rückschau halten und mir alle Alben noch einmal anhören. Dabei habe ich festgestellt: Es macht wahnsinnig Spaß, die Musik der letzten Jahre zu kombinieren und neu zusammenzustellen.
Das große Jubiläum steht in nicht mal einem Jahr an. Die perfekte Gelegenheit für ein Best-of. Hast du bewusst getrickst, damit nirgendwo „20 Jahre Schiller“ draufstehen muss?
von Deylen (lacht): Ja! Das ist eine Marotte von mir. Ich finde Geburtstage zum Beispiel äußerst unangenehm, vor allem die eigenen. Über die Jahre habe ich es geschafft, dass ich höchstens drei Anrufe und zwei SMS bekomme (lacht). Ich trage keine Armbanduhr, weil ich den Nachweis, dass die Zeit einem zwischen den Fingern zerrinnt, nicht auch noch mit mir rumtragen muss. Und wenn ich gefragt werde: „Erzähl doch mal, wie war das damals? Was war das schönste, das tollste, das traurigste Erlebnis?“, dann reagiere ich meist unbeholfen. Ich kann das einfach nicht gut. Es gibt viele Kollegen, die gerne von früher erzählen, aber ich gefalle mir nicht unbedingt in der Rolle des Märchenonkels. Ich schaue lieber nach vorne.
Dein Werk umfasst mittlerweile neun Studioalben. Wie wählt man aus hunderten Songs die 37 besten aus?
von Deylen: Jedes Stück, das ich komponiere, soll im Idealfall nicht für den Moment, nicht für die Woche oder die Saison sein, sondern für die Ewigkeit Bestand haben. Das gelingt logischerweise nicht immer, aber es gibt eben einige, die eine zeitlose Energie haben und die ich heute genau so aufnehmen würde. Diese Songs habe ich für „Zeitreise“ ausgewählt und neu zusammengestellt.
Nach – entschuldige bitte – nach ZWANZIG JAHREN …
von Deylen: Waaaah!!
… überführen viele Künstler ihre Karriere langsam in den Ruhestand. Du bist ständig auf Tour und hast erst im letzten Jahr deinen Wohnsitz in Berlin aufgelöst, um in die USA zu ziehen. Klingt eher nach Aufbruch als nach Ruhestand.
von Deylen: Ruhestand – da zieht sich bei mir alles zusammen. Es ist mir ein völliges Rätsel, wie man rückwärts zählen kann: So, noch vier mal, noch drei mal und dann ist es geschafft. „Zeitreise“ ist für mich eher die Gelegenheit, einen Zwischenstrich zu ziehen. Ich empfinde es als einen Neuanfang. Der Tacho wird auf Null gestellt, und es geht wieder von vorne los.

Interview: Johannes Middelbeck

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