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Seefeuer

Ein stiller Aufruf zu mehr Menschlichkeit: „Seefeuer“, der Berlinale-Gewinner, der den Alltag auf Lampedusa und das Leid der Bootsflüchtlinge nebeneinanderstellt.

Rückblick: Als im Februar bei der Berlinale eine Dokumentation den Goldenen Bären als bester Film erhielt, und dann auch noch ein Film über Flüchtlinge, bei einem Festival, das sowieso dazu tendiert, seine Preise eher für politische und nicht ästhetische Qualitäten zu vergeben – da gab es nicht wenige, die murrten. Doch „Seefeuer“ von Gianfranco Rosi ist ein würdiger Preisträger. Der Regisseur verbrachte ein Jahr auf der kleinen italienischen Insel Lampedusa, zwischen Sizilien und Tunesien liegender Sehnsuchtsort von Flüchtlingen aus Nordafrika und allzuoft auch Endpunkt ihrer letzten Reise. 15 000 Menschen starben in den letzten 20 Jahren beim Versuch, über Lampedusa und Sizilien Europa zu erreichen.

Rosi stellt kommentarlos Bilder von Bergungs- und Rettungsmissionen der Marine und Kommentare von Dr. Bartolo, dem einzigen Arzt auf dem Eiland, dem Alltag des zwölfjährigen Fischersohns Samuele gegenüber, den die alltägliche Tragödie der Überlebenden und Toten nur in dem Sinne betrifft, als dass er für Rosi zur symbolischen Figur taugt: Wie wir Europäer, so lebt auch Samuele sein Leben unberührt weiter, während vor seiner Heimatküste die Menschen sterben. Und wenn der begeisterte Zwillenschütze sein Zielauge abgeklebt bekommt, um sein schwaches Auge zu stärken, ist das eine einfache, aber starke Metapher: Europa, schärfe endlich deinen Blick für die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer! Durch das Nebeneinander von Momenten aus Samueles Welt, Aufnahmen der unermüdlichen Arbeit der Helfer und Szenen der blutige Tränen weinenden Flüchtlinge erhält der Dokumentarfilm eine quasispielfilmhafte Anmutung, die vehement die Kant’sche Maxime zu helfen propagiert. „Seefeuer“ ist wichtiges humanistisches Kino. vs

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