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Silence

Der neue Film von Martin Scorsese: In "Silence" machen sich 1638 zwei Priester auf die Suche nach ihrem in Japan verschollenen Lehrer.

Zugegeben, an Martin Scorseses neuem Film haben wir einiges auszusetzen. Dennoch: „Silence“ ist ein Werk, über das man noch viel diskutieren wird – und weil wir das zu würdigen wissen, haben wir den Film in seine Einzelteile zerlegt:

1. Der Glauben

Martin Scorsese wird meist mit Gangsterkino und drastischer Gewalt assoziiert, doch auch vor seinem Film „Silence“ war Religion bei ihm ein wichtiger Aspekt. Scorsese wuchs nicht nur streng katholisch auf, sondern wollte ursprünglich Priester werden – und so sind auch in Filmen wie „Hexenkessel“ oder „GoodFellas“ Buße und Abbitte thematisch wiederkehrende Motive. Dabei zog die Regielegende für die menschliche, zweifelnde Jesus-Interpretation „Die letzte Versuchung Christi“ sogar den Zorn der Kirche auf sich. Sein filmisches Glaubensbekenntnis „Silence“ hingegen, das tatsächlich einmal den Blickwinkel Gottes annimmt, feierte seine Premiere im Vatikan – und der Papst gab diesmal seinen Segen.

2. Die Geschichte

„Silence“ thematisiert die Verfolgung jesuitischer Missionare in Japan anno 1638. Durch das strenge Ständesystem in Japan vieler ihrer Rechte beraubt, konvertieren im Laufe des 17. Jahrhunderts vor allem Bauern und Arbeiter zum Christentum, das ihnen den Aufstieg in den Himmel verspricht – ganz gleich, welcher Klasse sie angehören. Im Zuge dessen werden Christen systematisch verfolgt, sofern sie sich weigern, ihrem Glauben abzuschwören – so gerüchteweise auch Cristóvão Ferreira (Liam Neeson), dessen Schüler Sebastião (Andrew Garfield) und Francisco (Adam Driver) sich von Portugal nach Japan aufmachen, um den Pater aufzuspüren.

3. Die Genese

Schon zu Beginn der 90er-Jahre war Scorsese nach eigenen Aussagen „wie besessen“ von Shūsaku Endōs Roman „Silence“, der 1971 bereits von Masahiro Shinoda verfilmt wurde. Es sollte noch fast ein Vierteljahrhundert dauern, bis Scorsese den Stoff in Angriff nehmen konnte. Leider ist Scorseses Herzensprojekt kein besonders guter Film: Recht unreflektiert ruft Scorsese den christlichen Glauben zum Gegengewicht zu allem Schlechten und Gewalttätigen aus, als hätte es beispielsweise die Inquisition nie gegeben – eine Annäherung, ein Diskurs, ein Verwischen der von Anfang an klar gezogenen Linien findet nicht statt, sodass schließlich nur redundantes Leiden übrig bleibt.

4. Der Gibson-Effekt

Andrew Garfield beerbte 2012 Tobey Maguire als Spider-Man, in diesem Jahr wurde er erstmals für den Oscar nominiert – nicht für „Silence“, sondern Mel Gibsons fast zeitgleich gestarteten Kriegsfilm „Hacksaw Ridge“. Die Parallelen sind frappierend: Beide Filme vertreten eine katholische Agenda, und in beiden ist das japanische Personal eindimensionales Feindbild.

5. Die Gestaltung

Martin Scorsese ist unter den Filmemachern einer der leidenschaftlichsten Cinephilen: Er setzt sich für die Restauration und Erhaltung alter Filme ein, in Listen und Interviews will Scorsese den jüngeren Generationen die Kinogeschichte nahebringen. Klar, dass er sich für „Silence“ auch von der Vergangenheit hat inspirieren lassen – so plakativ der Film inhaltlich ist, so zurückhaltend agiert Scorsese visuell, was besonders nach dem Stilisierungs-Overkill von „The Wolf of Wall Street“ auffällt. Vom spirituellen Naturalismus des frühen japanischen Kinos hat sich der Regisseur einiges abgeschaut, in bedächtigen Kamerafahrten durch Wolken und Nebel findet sich die Handschrift des erklärten Vorbildes Kenji Mizoguchi. Aber auch das europäische Kino hat ihm Impulse gegeben, vor allem jene Regisseure, die sich oft – und ungleich differenzierter – dem Hadern mit Gott gewidmet haben: Bergman, Bresson, Dreyer.

Texte: Siegfried Bendix

„Silence“ ist als DVD und Blu-ray im Handel erhältlich.

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