Zum Inhalt springen

T.C. Boyle: Die Terranauten

Mit „Die Terranauten“ dokumentiert T.C. Boyle ein Forschungsprojekt zur globalen Erwärmung und landet bei einer weitaus drängenderen Frage: Wer fickt mit wem?

Für den 68-jährigen T.C. Boyle ist es natürlich ein gefundenes Fressen: Mitte der 90er scheiterte ein von der NASA initiiertes Langzeitprojekt, mit dem die Möglichkeit autarker Selbstversorgung unter sozialen, ökologischen und psychologischen Aspekten untersucht werden sollte. Eine wegen Ressourcenknappheit und globaler Erwärmung natürlich nach wie vor drängende Frage: Kann es uns gelingen, das Leben auf einen anderen Planeten zu verlegen, etwa auf den Mars? In seinem 16. Roman greift der grüne Krawallinski der US-Literatur das Experiment auf – und überzeichnet es zu einer grotesken Mediensatire.

Die Terranauten“ setzt ein, nachdem der erste Durchlauf gescheitert ist und vier Frauen und vier Männer für einen zweiten Versuch ausgewählt werden. Zwei Jahre lang sollen sie zusammen mit etwa 4000 Pflanzen- und Tierarten in einem gigantischen, von außen luftdicht abgeriegelten Gewächshaus leben. Nichts geht rein, nichts geht raus: So das Motto der Mission, die von den Medien nach allen Regeln der Zunft als Spektakel aufbereitet wird.

Boyle dokumentiert das Projekt, indem er drei Figuren abwechselnd aus der Ich-Perspektive berichten lässt: Kommunikationsoffizier Ramsay, Nutztierwärterin Dawn sowie ihre beste Freundin Linda, die beim Casting durchgefallen ist, aber noch von außen bei der Mission mitarbeitet und auf ihren Einsatz bei einem dritten Testlauf hofft. Ein geschickter Schachzug von Boyle, denn so kann er nicht nur den Konkurrenzkampf unter Forschern zeigen, deren Ruhmsucht das wissenschaftliche Interesse weit übersteigt. Er kann auch die ökologischen Gründe für das Scheitern in den Nebensätzen abhandeln und sich ausgiebig den Fragen widmen, die dann wohl leider doch auf stärkeres Interesse stoßen: Wer fickt mit wem? Wenn Ramsay und Dawn schon so blöd waren, ohne Kondom miteinander zu schlafen – wird sie wirklich ein Kind in dem Gewächshaus bekommen? Selbst Leser, die bislang meinten, gegenüber „Big Brother“ und „Dschungelcamp“ resistent zu sein, werden zugeben müssen, wie spannend das ist. cs

T.C. Boyle Die Terranauten

Hanser, 2017

604 S., 26 Euro

LESEREISE

13. 2. München, 15. 2. Stuttgart, 17. 2. Braunschweig, 18. 2. Heidelberg, 20. 2. Köln, 21. 2. Hamburg, 22. 2. Berlin

Beitrag teilen: