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The Cleaners

Die sozialen Medien stehen nicht erst seit dem Skandal um Cambridge Analytica im Kreuzfeuer der Kritik. Nachdem man die Doku „The Cleaners“ gesehen hat, wird man erst recht sein Facebook-Konto löschen wollen und für staatliche Regulierung der Tech-Giganten votieren.

Die superbe deutsche Dokumentation „The Cleaners“ zeigt die Arbeit von Menschen, die für Facebook und Co. das Netz von ungewünschten Inhalten säubern. Ein verstörender Informationstrip. kulturnews hat mit den Regisseuren gesprochen.

Hans Block, Moritz Riesewieck, kaum jemand schottet sich so ab wie Google oder Facebook. Wie haben sie dennoch Leute gefunden, die in ihrem Film aus dem Nähkästchen plaudern?
Hans Block/Moritz Rieseweck: Das war tatsächlich nicht leicht. Die Firmen tun alles, um zu verbergen, wer den „dreckigsten Job des Internets“ macht, der ja zugleich mit vielen weitreichenden politischen Fragen verbunden ist. Also lassen sie die Arbeiter Verträge unterschreiben, in denen diese zusichern, nicht mal ihren eigenen Familien oder Partnern zu erzählen, was sie da jeden Tag machen. Dazu kommen Codewords. Statt zu sagen: „Ich arbeite für Facebook” müssen sie zum Beispiel sagen: „Ich arbeite für das Honey Badger Project.” Repressalien tun ihr übriges. Wir konnten deshalb nur Arbeiter in unserem Film zeigen, die den Job gerade beendet hatten oder ihn in Kürze sicher aufgeben wollten. Aus der Chat-Kommunikation mit Arbeitern, die den Job noch machten, haben wir Auszüge in den Film integriert. Wir stehen weiterhin mit allen Arbeiter in engem Kontakt und stellen sicher, dass ihnen keine Probleme entstehen. Denn der Druck von Facebook und Co., die Arbeitsumstände geheim zu halten, ist riesig. Aus gutem Grund.

Warum haben sie sich auf die Content-Moderatoren auf den Philippinen konzentriert?
Block/Riesewieck: Manila ist der mit Abstand größte Standort für diese Arbeit. Outsourcingfirmen auf den Philippinen werben damit, dass Billiglöhner in Manila „unsere westlichen Werte” besser verstünden als etwa Inder oder Pakistani – dank Hunderten von Jahren spanischer und US-amerikanischer Kolonisation. Über 90 Prozent der Filipinos sind strenggläubige Christen. All das qualifiziert sie vermeintlich dazu, einzuschätzen, was westliche User sehen wollen und was nicht.

Die Tech-Giganten sind in Europa aber auch besser abgeschirmt.
Block/Riesewieck: Die Arbeiter in Manila haben anders als an kleinen Standorten in Deutschland keinerlei Lobby. Es gibt keine Gewerkschaft, die sich für ihre Rechte einsetzt, kaum psychologische Betreuung. Im Gegenteil: In einem Land, in dem noch immer jeden Tag Menschen verhungern, beklagt man keine psychischen Probleme. Es wird im wahren Wortsinn totgeschwiegen, was für Folgen die Arbeit hat.

Wie kamen sie die überhaupt für einen Debütfilm auf ein so komplexes und hochaktuelles Thema?
Block/Riesewieck: Wir haben uns immer gefragt, wie das eigentlich funktioniert, dass nicht alles auf Facebook, YouTube oder Twitter landet. Wir dachten aber immer an Algorithmen. Dann fanden wir raus, dass die nicht identifizieren können, worum es sich bei einem Foto oder Video handelt, selbst wenn sie bestimmte Bildinhalte identifizieren können. Zu entscheiden, ob ein Bild gewaltverherrlichend ist oder Nachrichtenwert hat, ob nackte Haut im Bild pornografisch ist, Teil einer Kampagne, Satire oder Kunst – das kann die automatische Bilderkennung auch noch in Jahren nicht entscheiden. Ob es die Content-Moderatoren in Manila innerhalb weniger Sekunden können: Das ist die Frage, die zu unserem Film führte.

Interview: Volker Sievert

Lesen Sie auch die ausführliche Kritik zu „The Cleaners“ auf daskinoprogramm.de.

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