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Attica Locke: Heaven, my Home

Attica Locke

Attica Locke schickt in ihrem neuen Roman „Heaven, my Home“ den schwarzen Texas Ranger Darren Mathews auf die Suche nach einem vermissten Redneck-Jungen – und lässt ihn über seine Selbstgerechtigkeit stolpern …

Mit dem Präsidenten, dessen Politik durch ein simples Gut-Böse-Schema geprägt ist, kommt die Gewalt zurück. In „Heaven, my Home“ von Attica Locke kämpft Darren Mathews 2016 als schwarzer Texas Ranger an vorderster Front gegen den aufflammenden Hate-Crime. Er arbeitet in einer Sonderkommission, die gegen die terroristische Arische Bruderschaft ermittelt und erfährt am eigenen Leib, wie längst überwunden geglaubter Hass sich ausbreitet. Da brennen auch bei ihm manchmal die Sicherungen durch: Er deckt einen älteren schwarzen Freund, als dieser verdächtigt wird, den rassistischen Kleinkriminellen Ronnie Malvo ermordet zu haben. Seitdem hat Darren einen misstrauischen Staatsanwalt an den Hacken und seine eigene Mutter erpresst ihn mit der versteckten Tatwaffe, die ein Beweis für seine Vertuschung ist. Immerhin versucht Darren, sich und seine Ehe halbwegs auf Spur zu bringen: Bier statt Bourbon und geregelter Innendienst statt tagelanger Außeneinsätze. Doch dann stürzt er gleich wieder mit seinen Ranger-Kumpels ab und wird von seinem Lieutenant in die abgelegenene Siedlung Hopetown geschicktt. Dort wird ein 9-jähriger Junge nach einem Bootstrip auf dem weitläufigen Caddo Lake vermisst.

Schuld lässt sich keiner Hautfarbe zuordnen

Es riecht nach Torf, brackigem Wasser und totem Fisch, jeder beschuldigt jeden, und die Trailerparksiedlung ist beherrscht vom Ärger zwischen Schwarzen und White-Trash-Nazis. Darren will weniger den vermutlich toten Jungen finden als Beweise gegen den Vater fingieren, der ein führendes Mitglied der Bruderschaft ist. So kann er ihm den Mord an Malvo anhängen und mit einem wichtigen Schlag die Neonaziszene schwächen. Für den schwarzen Texas Ranger führen die Ermittlungen jedoch zur Hinterfragung seiner Selbstverortung: Schuld lässt sich auch von ihm nicht einfach einer Hautfarbe zuordnen, Gut und Böse sind nicht klar zu trennen. Wird er selbst den Maßstäben für moralische Verantwortung gerecht, oder leiten ihn nur primitive Rachegelüste und Machogehabe? Darren Mathews versucht, seine Taten zu legitimieren und wenigstens den Jungen noch zu finden. Verbittert belügt er sich selbst: Sein Scheitern zelebriert er wie einen Sieg und spült die letzten Zweifel mit Schnaps hinunter.

 

 

Im zweiten Teil ihrer Highway-59-Serie gelingt Attica Locke ein eindrucksvolles Porträt der vielschichtigen Hauptfigur Darren Mathews. Seine innere Zerrissenheit, seine Wut und sein menschliches Unvermögen, mit ihr umzugehen, ist aber nicht nur allein im Rassismus der ländlichen USA zu finden. Der Südstaaten-Noir – der Dank stimmiger Übersetzung atmosphärisch und sprachlich überzeugt – legt in vielen Szenen vielmehr das Beziehungsgeflecht dar, in dem sich Darren auf allen Ebenen verorten muss. Zwischen Mann und Frau, Alt und Jung, Arm und Reich geht es eben auch in Texas facettenreicher zu als auf der Konföderierten-Flagge, die am Trailer weht.

Widersprüche, die schwer zu ertragen sind

Widersprüche gehören zu jeder Persönlichkeit, auch wenn sie schwer zu ertragen sind: eine Frau, die stolz behauptet, zu einem Achtel Cherokee zu sein, aber gleichzeitig nicht mit einem Schwarzen spricht. Ein Nazi-Vater, der bei der Suche nach seinem Sohn an die Menschlichkeit appelliert. Oder auch Darren selbst, der integer handeln will, aber gleichzeitig sich und seine Frau betrügt. Auch wenn der US-Präsident es anders sehen mag: Attica Locke weiß, dass sich Menschen durch mehr als nur die Hautfarbe und Herkunft definieren. nh

Attica Locke Heaven, my Home

Polar Verlag, 2020, 322 S., 22 Euro

Aus d. Engl. v. Susanna Mende

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