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Bon Iver: i, i

Bon Iver – i, i

Seit zwei Wochen ist „i, i“ im Netz, ab Freitag steht das vierte Album von Bon Iver auch im Plattenladen: Nach seinem Meisterwerk „22, a Million“ observiert Justin Vernon die unumgängliche Vergänglichkeit.

Nun ist es also ein Jahreszeitenzyklus, an dem er seit dem reduzierten Folkalbum „For Emma, forever ago“ aus dem Jahr 2007 gearbeitet hat, und mit der neuen Bon-Iver-Veröffentlichung erklärt Justin Vernon ihn als abgeschlossen. Nach dem Winter-Debüt folgte mit „Bon Iver, Bon Iver“ und der Erkundung des Bandsounds ein Frühling, und als Vernon vor drei Jahren einen verstörenden Sommer ausgerufen hat, wurde das vielerorts völlig zu Recht als Meisterwerk gefeiert: Erneut legte er herzerweichende Songs vor – nur hatte er sie diesmal mit Autotune, Loops und unendlich vielen Soundspielereien verzerrt, zerstückelt und begraben.

Lag der Reiz von „22, a Million“ im Dechiffrieren, irritierten die Vorabsingles zum Nachfolger, weil sie einerseits die zeitgenössische Experimentierei beibehalten, sich andererseits aber auch deutliche Rückbezüge zum organischen Sound der Anfangstage gönnen: Bei „Hey, Ma“ triumphiert Vernons unbearbeiteter Gesang über die verstörenden Soundtexturen, und wenn er sich für „U (Man like)“ mit Moses Sumney und Bruce Hornsby zusammentut, werden sie von einem nicht verfremdeten Klavier begleitet. Auch bei den restlichen Songs von „i, i“ ist diese collagenartige Anordnung dominierend: Kontraste stehen nebeneinander, werden aber von Vernons Stimme zusammengehalten, die so selbstbewusst wie nie zuvor das Zentrum der Kompositionen bildet. „Well, it’s all just scared of dying“, bringt er in „RABi“ das herbstliche Setting auf den Punkt, und mit den sakralen Songs des vierten Albums schreitet er noch einmal all die musikalischen Entwürfe ab, die er in den vergangenen zwölf Jahren hinter sich gelassen hat.

Zwar sind sowohl alte Wegbegleiter wie James Blake und die Dessner-Zwillinge von The National als auch neue Sidekicks wie Jenn Wasner von Wye Oak und Velvet Negroni dabei, doch halten sie sich alle im Hintergrund und arbeiten einem Künstler im Zentrum zu, der inmitten des allgegenwärtigen Vergehens immer wieder Momente absoluter Klarheit erfährt: „You were young when you were gave it“, besingt er etwa in „We“ alte Wunden, um schließlich beim Albumabschluss „RABi“ feststellen zu können: „Sunlight feels good now don’t it and I don’t have a leaving plan, but something’s gotta ease your mind, but it’s all fine or all crime anyway “. Da mag zwar der Albumtitel die geglückte Identitätsfindung relativieren, doch ist dieses Ankommen viel mehr, als man nach dem absoluten Verlorensein seines kryptischen Meisterwerks erwarten konnte. cs

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