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Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück

Von der Natur in die Zivilisation ist nicht ganz so leicht: „Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück“ weiß davon ein Lied zu singen.

Schon wieder eine Comicverfilmung? Nein, keine Sorge. Auch wenn der Haupttitel des Films eine falsche Fährte legt: Hier verfügt niemand über Superkräfte, höchstens über einen Superwillen und eigenartigen Humor. Denn: „Wir machen uns über niemanden lustig. Außer über Christen.“ Ben (Viggo Mortensen) lebt mit seiner Frau und sechs Kindern in der Wildnis im Nordwesten der USA und hat reichlich eigenwillige Erziehungsmethoden: Morgens zieht die Familie ein strenges Fitnessprogramm samt Nahkampftraining durch, dann wird das Essen gejagt oder geerntet, und abends am Lagerfeuer stehen Marx und Mao auf dem Lernprogramm. Diese Aussteigeridylle wird jedoch jäh unterbrochen, als die Mutter stirbt und die Familie sich in einem klapprigen Bus auf die Reise zur Beerdigung macht.

Die Lebenswirklichkeit trifft die Kinder mit Schmackes, denn Ben hat ihnen zwar beigebracht, auf Eliteuni-Niveau zu diskutieren – Erfahrung mit Supermärkten, Campingplätzen oder anderen Teenies haben sie aber nicht. So fühlt sich der Älteste (George MacKay) nach einer leidenschaftlichen Knutscherei hinterm Wohnwagen sofort genötigt, dem Mädchen vor den Augen ihrer Eltern einen Heiratsantrag zu machen. Und auch der Besuch bei Bens Verwandten wird zum Desaster: Die Kinder dort sind typische, auf ihren Handys herumdaddelnde Teenager, die Eltern hadern lautstark mit Bens Erziehungsmethoden. Als dieser ihnen die geistige Überlegenheit seiner Kinder beweisen will, kommt es zum Eklat. Doch die größte Prüfung steht der Familie noch bevor – Bens Schwiegervater (Frank Langella), der die unkonventionelle Verwandtschaft auf keinen Fall bei der Beerdigung seiner Tochter dabeihaben will.

Was als charmanter Roadtrip voller schräger Szenen beginnt, entwickelt sich bald zum tiefenpsychologischen Familiendrama, das neben den hervorragenden Nachwuchsdarstellern vor allem von Viggo Mortensens („Der Herr der Ringe 1–3“) intensiver Leinwandpräsenz lebt. Der Film verrät manche unangenehme Wahrheiten über unser in gedankliche Muster gepresstes Leben, ist aber nicht so radikal wie Ben und seine Sippe und sucht eher das versöhnliche Ende. Den naturgewaltigen Bildern und den liebevoll ausgearbeiteten Charakteren tut das keinen Abbruch. (es)

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