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Christian Y. Schmidt: Der letzte Huelsenbeck

„Der letzte Huelsenbeck“ von Christan Y. Schmidt punktet mit beißend-ironischer Charaktersezierung und hanebüchen-komischer Plotentwicklung.

Als Daniel S. auf die Beerdigung Viktors, seines Kumpels aus jungen Jahren, geht, ahnt der Journalist noch nicht, welch existenzielle Konsequenzen das für den Mittfünfziger hat. Die Beerdigung endet in einer wüsten Schlägerei, Daniel kriegt einen Stein an den Kopf und wacht erst im Krankenhaus wieder auf. An was er sich erinnert: Eine junge Frau hat ihn angelächelt, bevor alles aus dem Ruder lief. Und er kannte diese Frau – irgendwoher. Seltsam nur, dass Daniels Bruder sich an diese Frau gar nicht erinnert. Noch seltsamer: Daniel hat immer häufiger Halluzinationen. Er sieht den toten Viktor quicklebendig an einem Bahnsteig stehen, sieht Kinder, die ihn beobachten und einschüchtern, kann in vergangene Zeiten schauen. Nur an eines kann er sich kaum erinnern: die USA-Reise von 1978 mit seinen Schulfreunden – peinliche Möchchtegern-Dadaisten, die sich „Die Huelsenbecks“ nannten. Christian Y. Schmidt, Satiriker aus der Titanic-Schule und Autor von komischen Reisebüchern, hat mit „Der letzte Huelsenbeck“ seinen ersten Roman vorgelegt. Retro-Dadaismus, Retrorock und Drogen von Bier über Dope, Antidepressiva und Downer bis hin zu Speed sowie die Methoden des Special Agent Dale Cooper aus „Twin Peaks“ machen mit dem Helden Dinge, die sich maßgeblich auch auf die Romanstruktur auswirken. Kein Wunder, glaubt Daniel doch, die gesamte Geschichte als Toter in einem viermal vier Meter großen Raum mit weißem Nebel niederzuschreiben. „Der letzte Huelsenbeck“ beginnt furios in seiner beißend-ironischen Charaktersezierung und hanebüchen-komischen Plotentwicklung – leider aber hat die bittere Lebensbilanz auf halber Strecke Längen und entschädigt dafür erst auf den letzen 50 Seiten mit einem gar nicht komischen, überraschenden Ende. jw

Christian Y. Schmidt Der letzte Huelsenbeck

Rowohlt Berlin, 2018, 400 S., 22 Euro

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