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Dave Eggers: Bis an die Grenze

Into the Wild: Dave Eggers schickt seine Helden auf Zivilisationsflucht in die Wildnis – und wieder mal lohnt sich der Kampf mit dem belehrenden Pathos des US-Autors.

Nachdem er in der „Der Circle“ noch gegen das digitale Erlösungsversprechen einer totalen Zivilisation anschrieb, lässt Dave Eggers seine Protagonisten nun zwischen Wasserfällen und Waldlandschaften nach brauchbaren Antworten auf die Zumutungen der Moderne fahnden. In „Bis an die Grenze“ flieht eine Vorstadtmutter, vom Leben in den USA des 21. Jahrhunderts ausgezehrt, mit ihren Kindern in einem klapprigen Wohnmobil nach Alaska, in die letzte Wildnis, um „wiedergeboren zu werden, in einem Land aus Bergen und Licht.“

Allerdings ist der alte Traum vom anderen Leben fernab zivilisatorischer Fesseln bei Eggers längst zum Verzweiflungsakt geworden. Seine Heldin Josie versucht, dem uninspirierten Amerika zu entkommen, „das zum Kannibalismus neigt, zum Fressen der Jungen und Schwachen“, und wirkt doch zuallererst entwurzelt und ratlos. Ihr überstürzter Fluchtversuch gerät rasch zum Ausdruck völliger Hilflosigkeit. Die Wildnis scheint ihrerseits alle Heilserwartungen zu verhöhnen: Während das Trio durch Alaska kreuzt, brennen dort die Wälder. Sirenen und Löschfahrzeuge sind allgegenwärtig, als Sinnbild der amerikanischen Befindlichkeiten, des permanenten Ausnahmezustands, der drohenden existenziellen Katastrophe, vor allem aber: der Illusion jeglicher Zukunftssicherheit. In diesen Zeiten, scheint Eggers sagen zu wollen, verbittet sich die Wirklichkeit jede Art der Romantisierung. Und doch gibt es sie auch in seiner Geschichte zuhauf, die anderen Momente, wo das romantische Bedürfnis nach Unmittelbarkeit, nach Eigentlichkeit tatsächlich eingelöst wird: in Konfrontation mit der rauen Natur und in der Begegnung mit den Menschen. Hier werden Josie und ihre Kinder noch von Euphorie getragen und sind von Lebendigkeit umspült.

Die Lehre, die Eggers seine Protagonisten aus dem Abnutzungsgefecht mit der Gegenwart ziehen lässt, ist schlicht geraten. Sie lautet: Seid mutig, seid tapfer. „Bis an die Grenze“ ist letztlich eine optimistische, ja, eine erbauliche Erzählung, aus der man bestenfalls mit gestärktem Geist und klarem Blick herausgehen kann. Wie bereits im „Circle“ wird auch in diesem Roman irgendwann klar, dass Eggers seinen Lesern etwas mitgeben, ihnen Mut machen will. Das muss man mögen wollen, dieses zuweilen belehrende Pathos. Aber Eggers macht es einem hier leicht, insbesondere nach dem fantastisch gelungenen Ende, mit dem er seine Leser entlässt. Ganz so, als wolle er sie bestmöglich vorbereiten auf die Tage, die da kommen. mwe

Dave Eggers Bis an die Grenze

Kiepenheuer & Witsch, 2017, 496 S., 23 Euro

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