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Dillon: Kind

Auf ihrem dritten Album überzeugt Dillon mit hoffnungsvollen Tönen – wobei sie selbst gar nicht so genau weiß, woher sie plötzlich den pinken Daumen hat.

Dillon, wolltest du dir mit deinem neuen Album beweisen, dass du nicht traurig sein musst, um kreativ zu sein?

Dominique Dillon de Byington: Wenn Leute so etwas sagen, meinen sie oft einen verkitschten Sadness-Bereich. Bis das erste Album rauskam, habe ich nie darüber nachgedacht – aber plötzlich kamen fremde Leute auf mich zu und haben mir gesagt, wie ich bin. Ich selbst habe mich nie als ausschließlich traurig und melancholisch empfunden. Woher wollten die das überhaupt wissen? So richtige fucked-up things hatte ich doch nie erzählt. Es hat eine Zeit gedauert bis ich das einordnen konnte und gemerkt habe, dass diese Traurigkeit, die mir da bescheinigt wird, nichts mit meiner Traurigkeit zu tun hat.

Ist dir dein zweites Album „The Unknown“ deshalb so schwer gefallen?

de Byington: Da war ich mit diesem Prozess schon durch. Von außen ist eigentlich nie etwas in meine Alben eingeflossen – nicht von meiner Mutter, irgendeinem Produzenten, einem Liebhaber oder den Zuhörern. Ich schotte mich da ab und kann mich derart distanzieren, dass mich das nicht berührt. Beim zweiten Album wusste ich schon, dass ich nicht nur die bin, die man auf dem Cover von „The Silence kills“ sieht. Ich wollte andere Facetten zeigen, mich weiter öffnen – aber es ging nicht. Damals musste ich noch mal richtig düster werden und hatte auch nur schlechte Sachen zu erzählen. Ich hoffe sehr, dass ich nicht noch einmal das Bedürfnis haben werde, ein so depressives Album wie „The Unknown“ zu veröffentlichen.

Dein neues Album „Kind“ ist ein radikaler Gegenentwurf.

de Byington: Es ist der Beweis, dass man nicht nur negative Sachen erzählen muss. Auch an sehr schlechten Tagen gibt es fünf gute Minuten, und ich habe die Wahl, ob ich die 23 Stunden und 55 Minuten davor und danach beschreibe, oder mich zumindest für ein Lied auf diese fünf Minuten konzentriere. Früher habe ich gedacht, wenn man die schlimmen Sachen erzählt, werden sie besser. Aber manchmal muss man das gar nicht. Manchmal muss man einfach eine Kerze anmachen und warten bis sie runtergebrannt ist, und dann muss man auch nicht mehr über diese Dinge reden.

Aber wie ist dir dieser Umschwung jetzt plötzlich gelungen?

de Byington: Seit der zweiten Platte weiß ich, dass ich das nicht aktiv beeinflussen und erzwingen kann – aber plötzlich ging es emotional in eine andere Richtung. Sehr schnell habe ich bemerkt, dass jedes neue Lied ein Liebeslied wird, und während „The Silence kills“ rot oder orange und „The Unknown“ blau war, habe ich schon am Anfang nicht nur die Farbe Pink, sondern auch Blumen gesehen. Das hat mich so unsagbar froh gemacht, und im Studio habe ich mich wie eine Gärtnerin gefühlt, die jeden Tag mit ihrer Gießkanne unterwegs ist und ganz genau weiß, dass da bald etwas gedeihen wird.

Wobei dieser Prozess des Wachsens kein passiver ist, oder?

de Byington: Nein, es ist ein Gedeihen. „Kind“ ist keine Verliebtheitsplatte, sondern es geht um Liebe. Und sie sagt auch nicht: Ich liebe, wer ich bin, und damit ist dann alles gut. Es gibt sicher Leute, die wachen jeden Tag auf und sind mit sich selbst im Reinen – aber so bin ich nicht. Ich will mich auch hören und hinterfragen können. Dieses Album ist genau das: Ständig frage ich mich, und ich antworte auch immer wieder. Und manchmal frage ich mich nicht – und das ist genauso okay.

Interview: Carsten Schrader

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