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Ebony Bones: Nephilim

Was tun mit indiskutablen Ansichten? Ebony Bones hat auf ihrem bisher besten Album „Nephilim“ eine klare Antwort gefunden: Samplen

Trump, Brexit, Rechtsruck in Europa: Es ist eine Binsenweisheit, dass düstere Zeiten die Kunst beflügeln. Durch Musikerinnen wie Anohni oder Janelle Monáe hat der Protestsong längst zu neuem Leben gefunden, das vielleicht wichtigste, sicher aber dringlichste politische Album 2018 kommt von Ebony Bones: „Nephilim“ erschöpft sich nämlich nicht in sicheren Anti-Trump-Statements, es ist auch ein Plädoyer zum produktiven Verlassen der Komfortzone. Der konservative Politiker, Fremdenfeind und EU-Gegner John Enoch Powell hielt 1968 seine berüchtigte „Rivers of Blood“-Rede, in der er behauptete, dass in 15 oder 20 Jahren die Weißen von den Schwarzen unterdrückt würden, wenn das mit der Immigration so weiterginge. Ein rassistisches Pamphlet, das in Großbritannien heute verboten ist. Auf Bones’ Album aber ist es zu hören: Als Sample im gewaltigen Anti-Brexit-Song „No Black in the Union Jack“, in dem die Künstlerin genau das durchexerziert, woran es ihrer Meinung nach mangelt – der Auseinandersetzung, die einen Widerspruch erst ermöglicht. In Boris Johnson, Nigel Farage oder eben Donald Trump, all den Kräften also, die heute für Segregation und Abschottung einstehen, sieht sie Wiedergänger von Powell oder dem Kolonialherren Leopold II., dessen Namen Bones in „Oh Leopold“ immer wieder repetiert, wie eine mahnende Erinnerung: Die Gegenwart wird sich nicht ändern, indem man die Untiefen der Vergangenheit verleugnet. Musik als Bindeglied, das ist bei Ebony Bones indes nicht nur eine Phrase: Das Album hat sie mit dem Beijing Philharmonic Orchestra aufgenommen, und obwohl sich die Kommunikation aufgrund von Sprachbarrieren als schwierig gestaltet hat, erhält „Nephilim“ erst dadurch seinen fast sinfonischen Charakter. So unterschiedliche Pole wie HipHop, Soul, Punk, Clubmusik und orchestrale Grandezza fließen zu einer dramaturgisch geschlossenen Einheit zusammen, musikalische Themen und Leitmotive werden immer wieder aufgegriffen, so wiederholt sich gleich zu Anfang ein blecherner Trauermarsch als schleppende Beatdystopie. „Nephilim“ ist das bisher beste Album von Ebony Bones: schillernd, komplex und kämpferisch. (sb)

 

 

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