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Have A Nice Life: Sea of Worry

Have A Nice Life teilen zweite Single aus ihrem kommenden Studioalbum „Sea Of Worry“
Have A Nice Life – „Sea of Worry“ (Foto: The Flenser)

Mit „Sea of Worry“ konfrontieren Have A Nice Life zwei Probleme, die sie bisher gemieden haben: Rock und die Realität des Alterns.

In gewisser Weise haben Dan Barrett und Tim Macuga sich schon immer erfolgreich davor gedrückt, Rockmusiker zu sein. Die Klangwelt ihres Projekts Have A Nice Life speist sich aus Subgenres wie Shoegaze, Neofolk, Postpunk und Goth, die alles mit Gitarren anzustellen vermögen – außer zu „rocken“. Ihr drittes Album „Sea of Worry“ tut nun aber genaus das: Die Songs der ersten Hälfte sind geradlinig und unverstellt, allen voran der Goth-Surfrock-Titeltrack, das punkige „Trespassers W“ oder das stockende, hybride Gothrock-Kellerjazzstück „Dracula Bells“.

Im Zuge dieser Öffnung stellen sich Have A Nice Life auch dem zweiten Problem, das sie bisher geflissentlich übergangen haben: der Realität des Erwachsenenlebens. Seit ihrem Debüt war ihre okkulte Apokrypha-Ästhetik ein Schutzmantel, unter dem sie die adoleszente Angst vor dem Älterwerden verarbeiten konnten: Eine Quarterlife-Crisis, versteckt unter Späßen wie einem fiktiven, 70-seitigen Essay über ebenso fiktive Todeskulte im mittelalterlichen Christentum. Auf „Sea of Worry“ liegen Dan Barretts und Tim Macugas Gefühlswelten in Übereinkunft mit der musikalischen Verlagerung dagegen erstaunlich zugänglich da: Die Texte, die sich eindeutiger mit ihren Sorgen um Vaterschaft, die Zukunft und Politik auseinandersetzen, bieten spannende Brüche in ihrem vermeintlich so unweltlichen Kosmos. So wechseln sich direkte Zeilen wie „If the soul survives, like I do every summer and…/I’m still a fucking bummer? Then…“ mit entzogenen Erkenntnissen ab: „Everyone I know is still alive by/No choice of mine“.

Die Songs der zweiten Hälfte bewegen sich dagegen in vertrauteren Gefilden: „Lord of Tresserhorn“ und „Everything we forget“ bieten wieder vermehrten Ambient Noise und überbordende, alles verstellende Produktion. Und es ist ein bisschen schade, dass die zweite Hälfte sich so sehr auf bekannte Tricks verlässt. Denn die offene Produktion und die beweglicheren Kompositionen gelingen ihnen gut, doch nutzen Have A Nice Life auf „Sea of Worry“ die Möglichkeiten nicht völlig aus, die diese Direktheit aufzeigt. Ein Stück weit scheuen sie noch davor zurück, ihre Vergangenheit hinter sich zu verlassen – aber das ist verständlich, wenn sie dort Großtaten wie das längst aus Demos bekannte „Destinos“ finden, das trotzdem der beste Song des Albums ist. jl

„Sea of Worry“ ist bereits erschienen. Das Album könnt ihr bei Amazon bestellen.

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