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Heinz Strunk: Jürgen

Fünf gegen Willi: Heinz Strunk kehrt zurück zu seinen Wurzeln – mit einem Sonderling namens „Jürgen“.

Wer das Phänomen Heinz Strunk verstehen will, muss dreierlei tun. Erstens: sich die legendäre „Durch die Nacht mit“-Folge anschauen, in der er mit Scooters H.P. Baxxter in lispeliger Äh-Manier über Musik, Autos und die Problematik des Bücherschreibens fachsimpelt. Zweitens: sich das Œuvre seiner Jungscombo Studio Braun samt „Fraktus”-Blödelei reinziehen. Drittens: mindestens zwei seiner Bücher lesen, natürlich das stilbildende „Fleisch ist mein Gemüse“, in dem er seine Zeit als Mitglied der Partykapelle Tiffanys verhackstückt. Und zum anderen „Der Goldene Handschuh“, diese so bedrückende wie tiefgründige Kiezgeschichte um den Serienmörder Fritz Honka, mit der Heinz Strunk sich von allen bisherigen Albernheiten und Biographie-Reminiszenzen freigeschwommen hat. Sein neuester Roman „Jürgen“ wiederum haut in alte Kerben – logisch –, schließlich ist Protagonist Jürgen Dose schon seit Jahren Strunks Alter Ego. Denn auch wenn Heinzer nun regelmäßig im perfekt sitzenden Dreiteiler gesichtet wird – sein Herz schlägt für die ganz armen Willis, für die Unterschicht, für Leute, die nie wissen, wie sie den Tag hinter sich bringen sollen und sich gerade eben so durchs Leben lavieren. So einer ist auch Jürgen Dose: mittelalt, kranke Mutter zu Hause, Job als Tiefgaragenwärter, Kneipenabende mit Kumpel Bernie als einzige Routinepause. Frauen? Fehlanzeige. Dabei haben der Kontrollfreak Jürgen und der zänkerische Bernie von Speeddating bis Flirtportal schon so ziemlich alles versucht, was potenziell Kontakt zum anderen Geschlecht verspricht. Nun soll eine Butterfahrt nach Polen es richten, denn dort seien die Frauen angeblich völlig wild aufs Heiraten … Ein klassisches Heinz-Strunk-Setting, und natürlich merkt man, dass Jürgen Dose Strunk schon eine Weile begleitet – stilistisch war der „Handschuh“ deutlich weiter. Dennoch wirkt es stimmig, wenn Strunk den Jürgen über endlose Seiten Flirtratgeber zitieren oder Selbstoptimierungsversuche protokollieren lässt. Und Heinzer wäre nicht Heinzer, wenn er nicht noch eine Schippe drüberkippen würde: Zum Buch erscheint ein Album mit dem sprechenden Titel „Die gläserne Milf“.

Ellen Stickel

Heinz Strunk Jürgen

Rowohlt, 2017, 192 S., 19,95 Euro

LESUNGEN 11. 4. Marburg, 13. 4. Lingen, 25. 4. Bielefeld, 26. 4. Köln, 27. 4. Soltau, 28. 4. Flensburg, 1.+2. 5. Hamburg, 3. 5. Dresden, 4. 5. Erlangen, 5. 5. München, 6. 5. Heidelberg, 8. 5. Frankfurt, 9. 5. Hannover, 10. 5. Bochum, 15. 5. Kiel, 20. 5. Düsseldorf, 21. 5. Bremen, 22. 5. Berlin, 23. 5. Leipzig

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