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HERRliche Zeiten

Oskar Roehler ist das Enfant terrible der deutschen Regiekunst. Das wird sich auch mit seinem neuen Film nicht ändern: In der Satire "HERRliche Zeiten“ hält sich ein Vorstadtpaar zwei Sklaven – und genießt's.

Das Ehepaar Müller-Todt hat sich ein schönes Leben eingerichtet in seiner Villa in Berlin-Grunewald. Doch auch, wer sich nicht innerhalb des saturierten Bürgertums bewegt, der weiß, dass es unter der scheinbar sorgenfreien Wohlstandsoberfläche in der Regel gewaltig brodelt: Gartenarchitektin Evi (Katja Riemann) und Schönheitschirurg Claus (Oliver Masucci) können weder miteinander noch mit ihren materiellen Besitztümern besonders viel anfangen – Evi frisst ihren Frust in sich hinein, Claus terrorisiert sein Kollegium. Als eines Tages die Putzfrau das Handtuch wirft, bekommt Claus im Weinrausch eine fixe Idee: Er schaltet eine Internetanzeige, in der er einen Sklaven oder eine Sklavin sucht. Das ruft nicht nur dutzende Menschen in Lack- und Lederoutfit auf den Plan, die am nächsten Morgen an der Tür klingeln, sondern auch den so unterwürfigen wie undurchsichtigen Bartos (Samuel Finzi): Der bietet sich den Müller-Todts bereitwillig als Leibeigenen an, und seine Frau Lana (Liza Feryn) noch dazu. Die Sklaverei, meint Bartos, sei das einzige Arbeitsverhältnis, das nicht auf Geld, sondern auf Vertrauen beruhe. Nach anfänglichem Zögern – man ist schließlich aufgeklärt – findet vor allem Claus Gefallen an dem Arrangement. Doch auch Evi muss nicht allzu lange von den Vorteilen des Herrinnendaseins überzeugt werden …

Bartos führt etwas im Schilde, so viel ist klar. Doch was genau, darum geht es in Oskar Roehlers neuem Film höchstens an zweiter Stelle. Der Vertrag hat etwas von einem faustischen Pakt, der selbstgewählte Sklave fungiert als sinistrer Einflüsterer. „Sie sollten sich endlich abgewöhnen, uns als Menschen zu betrachten“, sagt Bartos, als Claus zunächst Skrupel hat, eine Gruppe migrantischer Leiharbeiter für einen Dumpinglohn den neuen Swimmingpool für seine Frau bauen zu lassen – und als dann ein Wertgegenstand aus dem Haus verschwindet und vermeintlich klar ist, dass es die Gastarbeiter gewesen sein müssen, stachelt Bartos seinen Gebieter zu drakonischen Strafmaßnahmen an. Die Dynamiken zwischen Herr und Sklave erinnern an Joseph Loseys Klassenkampfallegorie „Der Diener“ von 1963, in dem der titelgebende Bedienstete das Machtgefüge im Haus Stück für Stück verschiebt und schließlich radikal umkehrt. Roehler macht Bartos ebenfalls zum bösen Geist des Kapitalismus – der die Gewinner des Kapitalismus mit ihren Sünden konfrontiert.

Die Dekadenzdiagnose, die „HERRliche Zeiten“ stellt, ist nicht unbedingt neu, und Roehler zeichnet seine Satire mit extradicken Pinselstrichen, wenn zum Beispiel der Nachbar der Müller-Todts zu einer altrömischen Kostümparty einlädt, Gladiatorenkämpfe inklusive. Aber wie genüsslich hier nicht nur Roehler, sondern auch alle anderen Beteiligten über die Stränge schlagen, das ist zuweilen spektakulär irrwitzig – vor allem Oliver Masucci, der Hitler aus „Er ist wieder da“, kostet das Hysteriepotenzial seiner Rolle sichtlich aus: mit stechenden grünen Augen, tiefstem niederrheinischen Dialekt und einer Lache, die einen weit über den Kinobesuch hinaus verfolgt. sb

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