Zum Inhalt springen

Ingmar Stadelmann: Fressefreiheit

„Fressefreiheit“ heißt das neue Programm des Comedians Ingmar Stadelmann. Wer den Mann kennt, weiß: diese Freiheit nahm er sich schon immer.

„Die humoristische Betrachtung dramatischer Ereignisse ist immer schon Ausdruck heroischer Gelassenheit. Sie setzt eine zweite Ebene voraus und die Fähigkeit zu analysieren.“ Ingmar Stadelmann reizt auch in seinem neuen Programm „Fressefreiheit“ die Freiheit zur Pointe reichlich aus – und macht sie gleichzeitig zum Thema, heißt der Untertitel des Programms doch „Meinungsstresstest“. Dabei nimmt er sich gerne die sogenannten Gutmenschen zur Brust, ohne deshalb rechts zu stehen – im Gegenteil: Die Kritik am Gutmenschentum, die das Fehlen von analytischer Schärfe kritisiert, ist ein originär progressives, linkes Thema. Doch jetzt sind wir schon wieder viel zu ernst geworden, und dabei ist Ingmar Stadelmann auf der Bühne doch so umwerfend komisch!

kulturnews-Interview mit Ingmar Stadelmann

Sind Sie im links-grünen Milieu beliebt, Herr Stadelmann?

Herr Stadelmann, auch wenn Sie damals noch sehr jung waren …

Guter Anfang!

… aber wie krank muss man eigentlich sein, um nachts mit einem Renault Twingo Panzerschleichfahrten im Wald nachzustellen?

Aus heutiger Sicht ergibt das natürlich wenig Sinn. Und aus damaliger Sicht eigentlich auch nicht. Ich kann auch nicht mehr erklären, wie wir darauf kamen. Ich weiß nur noch, dass wir bei einem meiner besten Kumpels in einem Dorf namens Tylsen übernachtet haben. Mein Geburtsort Salzwedel liegt ja schon im Nirgendwo, aber Tylsen mit seinen nicht mal 50 Einwohnern liegt praktisch im Nirgendwo noch mal im Nirgendwo.

Langeweile im totalen Nirgendwo?

Wie lagen da irgendwo, und uns war langweilig, stimmt, und der Sternenhimmel war über uns. Dann sagten wir, dass wir uns doch mal in den Twingo setzten sollten und gucken, wie wir durch den Wald kommen.

Klasse Idee!

Ich bin gefahren, ich saß unten, und im Ausguck – der Twingo hat ja so ein Faltdach – stand mein Kumpel. Er als der Kleinste von uns hat oben rausgeguckt, was praktisch war, weil er sich nicht so schnell weh tut, wenn ein Ast kommt. Das ist ja auch beim Panzerfahren so. Er gab dann die Erkenntnisse an einen Kumpel auf dem Beifahrersitz weiter, und der erteilte mir schließlich die Kommandos.

Im Panzer sieht der Fahrer aber gar nichts.

Wir haben ja auch das Licht ausgemacht!

Okay, das reicht. Wie ging’s aus?

Es endete gar nicht dramatisch!

Sie haben überhaupt eine sehr intensive Beziehung zu Autos. Auf Instagram konnte ich einen großen, schnellen Mercedes sehen.

(muss lachen) Der ist gar nicht so groß! Aber ich sag mal so: In der Stand-up-Comedy ist es wie beim HipHop, Autos gehören im Prinzip dazu. (wird von einem Lachanfall unterbrochen) Der ernste Hintergrund ist aber: Du verbringst 250 Tage im Jahr auf der Autobahn. Das Auto ist mein Wohnzimmer, und wo andere Menschen eine teure Couch und eine tolle Stereoanlage in ihrem Wohnzimmer stehen haben, fahren bei mir die Couch und die Stereoanlage mit.

Kein Problem mit dem Publikum? Ihre Leidenschaft für fette, schnelle Autos macht Sie im links-grünen Milieu ja nicht gerade beliebter.

Ich bin mir relativ sicher, dass wahnsinnig viele Gutmenschen sehr schnelle Autos fahren, anders ist nicht zu erklären, dass in Stuttgart zwar die Diesel wegen Feinstaub nicht mehr in die Innenstadt fahren sollen, die heimischen V8-Monster aber gar nicht diskutiert werden. Man soll also weiter mit Porsche und sportlichem AMG-Mercedes durch die Innenstadt ballern können, weil die sauberer sind als Diesel, was natürlich Quatsch ist.

In Ihrem letzten Programm „humorphob“ plädierten Sie für eine heroische Gelassenheit auch im Angesicht von schlimmen Ereignissen. Wie drückt sich diese Gelassenheit aus?

Die humoristische Betrachtung dramatischer Ereignisse ist immer schon Ausdruck heroischer Gelassenheit. Sie setzt eine zweite Ebene voraus und die Fähigkeit zu analysieren.

Sie testen die Gelassenheit Ihres Publikums gerne und exzessiv aus. Wann sind Sie mal so richtig übers Ziel hinausgeschossen?

Am Anfang meiner Bühnenkarriere kam es schon vor, dass ich eine Grenze erreichte und gar nicht verstand, warum jetzt plötzlich Teile des Publikums verunsichert waren oder sich angegriffen fühlten. Inzwischen habe ich die Schmerzgrenzen ganz gut ausgetestet. Man muss nur wissen, dass man auf einer Rasierklinge tanzt und wahnsinnig exakt sein muss. Da gibt es wenig Luft für unkorrekte Formulierungen. Je härter das Thema ist, desto selbstverständlicher muss die Präsentation sein.

Sie gehen im Auto wie auch auf der Bühne gerne mal an die Grenzen.

Das kann man so sagen, ich teste mein Publikum aus. Der Untertitel meines neuen Programms heißt ja nicht von ungefähr „Meinungsstresstest“.

Interview: Jürgen Wittner

 

Checkbrief

Name Ingmar Stadelmann

Vollständiger Name Ingmar Horst Heinz Stadelmann

Berufe Stand-up-Comedian, Sprecher, Radiomoderator

Geboren 1980 in Salzwedel

Motto des Auto-Freaks Wohnt auf der linken Spur

Erste Auftritte als Chaos-Theater gemeinsam mit Tobias Schulz

Ausbildung Volontariat

Auszeichnungen u. a. Deutscher Comedypreis, Stuttgarter Besen

Radio seit 2013 „Lateline“ und seit 2017 mit Luke Mockridge „2Live in 1Live“ auf 1 Live

TV „CC:N“ auf Comedy Central (ab sofort neue Staffel)

Neues Bühnenprogramm „Fressefreiheit“

 

Beitrag teilen: