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James Blake: The Colour in anything

Melancholische Maschinen: James Blake

Gerade wurde er als Zulieferer von Beyoncés Album „Lemonade“ gefeiert, schon macht es James Blake der US-Kollegin nach und stellt seine dritte Platte mit nur wenigen Stunden Ankündigungszeit ins Netz.

Auf „The Coulour in anything“ setzt der Erneuerer des Postdubstep den bereits mit „Overgrown“ eingeschlagenen Weg konsequent fort: Im Mittelpunkt stehen nicht Soundspielereien, sondern Songs – sehr viele Songs. Und gleich die ersten zwei Zeilen des Eröffnungsstücks „Radio Silence“ machen dann auch unmissverständlich klar, worum es auf dem Album geht: „I can’t believe this, you don’t wanna see me.“

Blake verarbeitet die gescheiterte Beziehung mit der Warpaint-Gitarristin Theresa Wayman, und für die Austreibung dieser Liebe nimmt er sich gebührend Zeit: Die 17 Songs haben eine Spieldauer von fast 77 Minuten.

Auf der zum Großteil im Studio von Rick Rubin (!) entstandenen Platte dominieren melancholische Klavierballaden. Blake hat mittlerweile genug Selbstvertrauen, nur noch sehr wenige, dafür aber sehr effektive Verfremdungseffekte einzusetzen, um seinen souligen, oft in höchsten Tönen klagenden Gesang zu inszenieren.

Doch trotz der großen Menge fällt es schwer, einzelne Kompositionen herauszugreifen. Man könnte „Your willing Heart“ nennen, weil Blake den Song gemeinsam mit Frank Ocean geschrieben hat. Für „I need a Forest Fire“ hat er ein weiteres Mal Bon Iver zum Duettpartner auserkoren. „I hope my Life“ nimmt ein fast schon tanzbares Tempo auf, um sich vor Synthiesounds aus den 80ern zu verneigen, „Waves know Shores“ fährt Bläser auf, und mit dem abschließenden A-cappella-Stück „Meet you in the Maze“ präsentiert sich Blake so nackt wie selten zuvor.

Auch wenn kein Stück an seinen Überhit „Overgrown“ heranreicht – ausnahmlos alle 17 Songs sind kurz davor. Blakes bisher bestes Album ist ein forderndes, mitunter schwer zu ertragendes Meisterwerk, das mit dem Gehenlassen der Geliebten wohl auch einen musikalischen Wendepunkt markieren wird.

„Music can’t be everything“ lautet die letzte Zeile von „The Colour in anything“. Sie steht im radikalen Gegensatz zu den vorangegangenen fast 77 Minuten. cs

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