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Janis Otsiemi: Libreville

Eine Sternstunde des African-Noir: „Libreville“ von Janis Otsiemi.

In Gabun, einem verarmten Staat an der Westküste Afrikas, liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern bei 56 Jahren. Doch der regierungskritische Journalist Robert Missang wird gerade mal knapp über 30. Am vermüllten Strand der Hauptstadt Libreville, in der Nähe des Herrscherpalastes, wird 2008 seine Leiche gefunden. Ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen deuten Folterspuren auf einen politischen Mord hin. Und weil der langjährige Machthaber keine Skandale gebrauchen kann, fordert er die sofortige Aufklärung der Tat. Mit den Ermittlungen werden die beiden Polizisten Owoula und Envame beauftragt, und ein neben der Leiche gefundenes Projektil ist einer der wenigen Anhaltspunkte, die sie in diesem heiklen Fall haben.

Da sie auf moderne Untersuchungsmethoden nicht zurückgreifen können, setzen die beiden Capitaines auf altbewährte Methoden der Recherche: Kontakte zu Informanten und die rustikale, aber zeitsparende Prügelbefragung. Bald schon werden die Vernehmungsprotokolle auf einer museumsreifen Schreibmaschine runtergehackt und dem vorgesetzten Commandant vorgelegt. Mit Erfolg: Nach knapp zwei Wochen sind die Mörder gefasst. Owoula und Envame wissen, dass sie nicht die ganze Wahrheit ermittelt haben – aber sie sind klug genug, um nicht weiter im Dreck zu wühlen.

Bei dem langjährigen Boom der Südafrika-Thriller könnte man glatt vergessen, dass der uns immer noch viel zu fremde Kontinent auch im Krimigenre viel mehr zu bieten hat. So ist „Libreville“ ein gradliniger African-Noir, der uns die anachronistisch anmutenden Zustände in Gabun mit einer atmosphärischen Intensität vermittelt, die an Chester Himes legendäre Harlem-Romane erinnert. Selbst die – in unseren Augen – politisch unkorrekten Polizisten mit ihrem frauenverachtenden Machogehabe bringt uns Otsiemi nah. Hier gilt man eben noch als richtiger Mann, wenn man neben einer Frau mindestens eine Geliebte hat, sich abends mal ein Buschäffchen in die Pfanne haut und seine Erfolge im Busbahnhofs-Bordell feiert. nh

Janis Otsiemi Libreville

Polar Verlag, 2017, 224 S., 14 Euro

Aus d. Französischen v. Caroline Gutberlet

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