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Jonathan Safran Foer: Hier bin ich

Mit seinem neuen Roman „Hier bin ich“ wagt sich Jonathan Safran Foer an ein sehr konventionelles Thema.

Am Anfang mag man enttäuscht sein: Da kommt nach elf langen Jahren endlich ein neuer Roman von Jonathan Safran Foer – und dann ist der fast 700 Seiten starke Ziegelstein einfach nur ein Trennungsroman. Einerseits mag das naheliegen – nachdem Foer und seine Frau Nicole Krauss jahrelang als das Traumpaar der New Yorker Literaturszene gefeiert wurden, leben die beiden inzwischen getrennt – andererseits hätte man von dem Autor so intelligenter und verspielter Bücher wie „Alles ist erleuchtet“ und „Extrem laut und unglaublich nah“ dann doch ein innovativeres Thema erwartet.

Doch schnell zeigt sich, dass „Hier bin ich“ weit mehr ist, als einfach nur der Abgesang auf eine Ehe aus der gehobenen amerikanischen Mittelschicht. Wenn der 40-jährige Jacob Bloch und seine Frau Julia mit dem Verlust ihrer Liebe und des gegenseitigen Begehrens hadern, wenn sie über die Erziehung ihrer drei Söhne streiten, dann geht es immer auch um das Ringen mit der jüdischen Identität. Foer verdichtet diese Fragen, wenn er in der zweiten Hälfte des Romans eine Dystopie entwirft und sein nicht religiöser aber den Traditionen durchaus zugetaner Protagonist sich auf den Trümmern seiner Existenz fragt, ob er zur Verteidigung Israels in einen Krieg gegen die muslimischen Staaten ziehen soll.

„,Hier bin ich’ fühlt sich an, als sähe man drei Woody-Allen-Filme gleichzeitig“, kommentiert Christoph Maria Herbst, der die zwölfstündige Hörbuchversion eingelesen hat. „Geballt treffen jüdischer Witz, Midlife-Crisis, pubertäre Irrungen, Beziehungskrise und inkontinenter Hund aufeinander. Im Studio habe ich die vier turbulenten Wochen vor einer Bar-Mizwa mit durchlebt und muss sagen: Ob Christen oder Juden – Familie ist eine Glaubensfrage.“

Grandios akzentuiert Graf mit seinem Vortrag Foers größte Stärke: die extrem pointenreichen und unglaublich tiefen Dialoge der Familienmitglieder. Wenn sich bei aller Komplexität am Ende eben doch diejenigen Szenen am stärksten einbrennen, in denen sich die Entfremdung der Ehepartner und die Zerstörung des Unausgesprochenen offenbaren, dann hat Jonathan Safran Foer nicht einfach nur ein weiteres Trennungsbuch geschrieben. Es zählt zu den besten seiner Art. cs

Jonathan Safran Foer Hier bin ich
Als Buch Kiepenheuer & Witsch, 2016, 688 S., 26 Euro
Aus d. Engl. v. Henning Ahrens

Als Hörbuch Argon, 2016, 9 CDs, 29,95 Euro
Gelesen v. Christoph Maria Herbst

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