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La Femme: Mystere

Am besten überlegt man sich vorher, ob man sich auf den durchgeknallten Stilmix von La Femme einlassen will. Denn das Pariser Sextett hat so seine Methoden, mit denen sie einen um den Finger wickeln.

Sacha Got nutzt die schlechte Telefonverbindung zwischen Hamburg und Paris knallhart aus. Und nicht nur das, irgendwie wird man auch den Eindruck nicht los, er lässt sich von dem weit verbreiteten Klischee des mit der englischen Sprache kämpfenden Franzosen zuarbeiten, wenn der Gitarrist von La Femme in eine Rolle schlüpft, in der sich sonst vor allem Großmütter und alte Tanten gerne einrichten: Got versteht nur das, was er verstehen will. Bei der Frage, welche Rolle denn Halluzinogene bei ihrem zweiten Album gespielt haben, pariert er zunächst mit etlichen Verständnisrückfragen, um dann mit einem Wortschwall zu antworten, bei dem man sich nicht sicher ist, ob er gerade Englisch oder nicht vielleicht doch Französisch spricht. Und als dann auch noch die Leitung krisselt, bleibt am Ende nur ein einziger Satz stehen: „Wir machen Musik, um genau diese bewusstseinserweiternde Wirkung zu erzielen.“ Doch diese eine, sehr stereotype Aussage flankiert Got mit einem derart charmanten Lachen, dass es am Ende auch schon wieder egal ist, ob er sich gerade vor einer Antwort gedrückt hat.

Dabei ist die Frage nach den Drogen bei La Femme nie unberechtigt. Schon auf dem Debüt „Psycho Tropical Berlin“ mischte das Sextett vor drei Jahren so vermeintlich unvereinbare Einflüsse wie Psychedelic, Chanson, Cold Wave, Rockabilly und Elektropunk zu einem ganz und gar eigenen Sound, der seine energiegeladene Wirkung besonders bei Konzerten nie verfehlte. Zwar haben La Femme auf dem neuen Album jetzt ganz bewusst Tempo rausgenommen und neben Soundtrack-Referenzen à la Ennio Morricone auch Streicher integriert, doch bei den erneut von verschiedenen Gastsängerinnen vorgetragenen Songs sind es eben die Texte, bei denen jeder Drogenhund anschlägt: In „Mycose“ verzweifelt die Protagonistin an einem Scheidenpilz und wünscht sich in den bakterienfreien Weltraum, die Heldin von „Psyzook“ verabschiedet ihren Geliebten, der in den Krieg zieht und vielleicht nie aus der Wüste zurückkehren wird, und in „Exorciseur“ driftet der Held in den Wahnsinn ab, weil er von seiner Freundin verlassen wurde. „Wir wollten diesmal eine Platte, die auch daheim auf dem Sofa funktioniert“ kommentiert Got die zurückgenommene Punkattitüde. Doch die Antwort auf die Frage, ob er nicht an längerfristige Beziehungen glaube, weil doch in fast jedem Song eine Trennung vorkommt, geht erneut verloren. Lediglich mehrere Beteuerungen, wie schwierig es sei, kommen an. Und „Wer wären wir denn, wenn wir nicht dazu ermuntern würden, es immer wieder zu versuchen?“

Da passt natürlich die Frage, ob „Mystere“ an Wirkung verliert, wenn man die französische Sprache nicht versteht. „Dann hätten wir unsere Aufgabe als Musiker nicht erfüllt“, entgegnet Got und ist jetzt plötzlich gut zu verstehen. „Aber dich haben wir doch auch gekriegt, oder?“, will er wissen und schiebt wieder sein charmantes Lachen hinterher. Doch das hätte es an dieser Stelle gar nicht gebraucht.

Carsten Schrader

LIVE
19. 11. Berlin

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