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Mathias Tretter: Pop

Ausgehend von Andy Warhol spannt Mathias Tretter in seinem neuen Programm „Pop“ den Bogen vom aktuellen US-Präsidenten über die AfD bis hin zu den Bier brauenden Hipstern und ruft das Zeitalter des Amateurs aus.

Ausgehend von Andy Warhol, der jedem Menschen 15 Minuten Berühmtheit versprach, spannt Mathias Tretter in seinem neuen Programm „Pop“ den Bogen vom aktuellen US-Präsidenten über die AfD bis hin zu den Bier brauenden Hipstern und ruft das Zeitalter des Amateurs aus. Wo Amateure aber das Sagen haben, steht es schlecht um die Spezialisten. Ob Journalismus oder klassische Politik: Der Vertrauensverlust gegenüber den einst auch in Feindschaft geachteten Experten ist enorm, sie werden nicht mal mehr ignoriert, sondern nur noch abgetan. Wem das jetzt zu abgehoben klingt: keine Sorge! Mathias Tretter will auch in seinem neuen Programm nicht belehren, sondern primär unterhalten. Anspruchsvoll allerdings. Wer das auch so sieht und drüber hinaus wie wir gut findet, sollte hier für Matthias Tretter abstimmen, da er ab sofort mit seinem neuen Programm „Pop“ auf der kulturnews-Bestenliste  steht.

 

Mit Pop gegen Populismus

Mathias Tretter ist der Dialektiker unter den Kabarettisten. In seinem neuen Programm geht er im Namen der Unterhaltung gegen den Populismus vor.

Herr Tretter, Der Musikkabarettist Thomas Pigor kritisierte jüngst in einem kulturnews-Interview den Antiintellektualismus in der Prime Time des Fernsehens. Sie gehen noch viel weiter und sagen, wer Adorno zitiere, gelte heute als großkotzige Elitesau. Ist „protzen“ heute schon die Umschreibung dafür, wenn jemand etwas mehr Wissen besitzt?

Mathias Tretter: Eben. Wenn das jemandem unterstellt wird, der einfach nur kompetent etwas sagt oder kommentiert, steckt schon der Antiintellektualismus in der Unterstellung. Ich empfinde das auch so. In meinem neuen Programm geht es um Populismus, und eine ganz hervorstechende Eigenschaft vor allem von Rechtspopulisten ist die Kritik an der Elite und dann vor allem auch an den Intellektuellen. In den USA trifft das vor allem die Liberalen an der Ostküste, wo die Universitäten sind und in New York das kulturelle Zentrum ist. Diese Liberalen sind bei den Populisten regelrecht verhasst.

Woher kommt dieser Hass?

Tretter: In den Massen hat sich dieser Hass durch die neuen Kommunikationsformen verbreitet. Äußerungen von Leuten, die früher keine Plattform hatten und jetzt mal drauflos schreiben können, sorgen da für eine ganz düstere Entwicklung. Auch formal! Wie sehr es den Leuten daran gebricht, sich überhaupt ausdrücken zu können!

Jetzt kann man sagen: Die haben doch auch ein Recht, ihre Meinung kundzutun!

Tretter: Deren Meinung wird aber aufgegriffen von Rechtspopulisten, die damit eine Stimmung nicht nur gegen die ökonomische, sondern auch die kulturelle Elite schüren. Um noch mal die USA als Beispiel zu nehmen: Dort hat sich ein Großteil der Bevölkerung mit einem absolut ungebildeten Präsidenten durchgesetzt.

Aber was bedeutet das für uns?

Tretter: Ich bitte Sie! Wenn man sich vorstellt, dass man Adorno in den 1960ern noch in Radiofeatures hören konnte, und zwar stundenlang! Das ist heute überhaupt nicht mehr vorstellbar. Der Deutschlandfunk ist ja noch ein letztes Licht in dieser (muss lachen) intellektuellen Dunkelheit.

Sie schauen für Ihr neues Programm auch in die Alltagskultur, stellen fest, dass der Hipster der neue Bierbrauer ist und der Blogger der neue Journalist und beklagen das Jahrzehnt der Dilettanz. Mit den Dilettanten meinen Sie aber sicher nicht die Amateure, denn sonst müsste ich Ihnen energisch widersprechen.

Tretter: Gegen Amateure ist überhaupt nichts einzuwenden! Ich widerspreche aber, wenn man etwa die Kultur komplett amateurisiert, indem man den Leuten, die das professionell machen, die Existenzgrundlage entzieht. Zum Beispiel durch das Urheberrecht. Wenn das ausgehebelt wird und jeder alles kopieren kann, ist schlicht kein Geld mehr da für Leute, die das professionell betreiben. Eine Professionalität erreicht man aber nur, indem man etwas hauptberuflich macht.

Sie nennen Ihr Programm „Pop“, „Politkomik ohne Predigt“. Ihr Material schöpfen Sie aus dem Gefühl des Widerstands gegenüber Ihrer Umwelt. Welches Unbehagen empfinden Sie aber gegenüber dem Pop? Immerhin ist Pop ja ebenfalls sehr mit Rebellion verschränkt.

Tretter: „Pop“ ist ein mehrfach deutbares Wort. Mir geht es um Populismus, der eine Form des negativen Pop ist. Es geht aber auch um das Spiel mit Identitäten. Einerseits steht Pop dafür, dass man fließende Identitäten hat, dass man spielt, David Bowie ist eine der absoluten Galionsfiguren dessen, dass man mit Geschlechterrollen spielt. Im Populismus gibt es jetzt einen für mich unfassbaren konservativen Backlash, in dem Begriffe, die längst dekonstruiert waren, wie „Volk“ oder „Familie“ – die aus einer ganz heteronormativen Beziehung besteht –, wieder hoch gehalten werden. Pop wäre in der positiven Wendung der Widerstand gegen Populismus.

Interview: Jürgen Wittner

Live
17. 6. Schweinfurt
18. 6. Bad Tölz
19.+ 20. 6. Frankfurt
24. 6. Gütenbach
25. 6. Karlsruhe
29. + 30. 6. Würzburg
1. 7. Leipzig
5.–8. 7. München
3. 9. Meiningen
7. 9. Mainz

CHECKBRIEF

Name Mathias Tretter
Geboren 1972 in Würzburg
Studium Anglistik und Germanistik in Würzburg, Edinburgh und Heidelberg
Frühe Berufe Sprachlehrer an einer Dolmetscherschule, Literaturkritiker
Erste kabarettistische Texte 1992
Erste Auftritte Comedy Lounge im Würzburger Theater Chambinsky
Erstes Programm „Die Brille zur Macht“ (2003)
Besonderheit Gibt immer wieder auch sein englischsprachiges Programm „Not with a Bang, but with a Whimper“
Auszeichnungen Deutscher Kabarettpreis, Bayerischer Kabarettpreis; Deutscher Kleinkunstpreis und Salzburger Stier jeweils mit dem Ersten deutschen Zwangsensemble (gemeinsam mit Claus von Wagner und Philipp Weber)

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