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Max Richard Leßmann: Liebe in Zeiten der Follower

Als Sänger von Vierkanttretlager macht er Indierock, doch im Alleingang arbeitet sich Max Richard Leßmann auf seinem Debüt an Swing und Schlagerpop ab. Meint er das wirklich ernst?

Max, vor gut zwei Jahren hast du als Sänger von Vierkanttretlager noch mit „Krieg & Krieg“ ein apokalyptisches Postpunkalbum rausgehauen, und jetzt ziehst du für dein Solodebüt plötzlich rosa Hemden an, um mit Swing, Chanson und Schlagerpop den großen Romantiker des Internetzeitalters zu geben …

Max Richard Leßmann: Oberflächlich gesehen sind das wohl schon die größtmöglichen Gegensätze, trotzdem glaube ich, dass auf „Krieg & Krieg“ auch zwischen den Zeilen schon eine Suche nach Liebe, Geborgenheit und Schönheit stattgefunden hat. Jetzt drücke ich diese Sehnsucht eben anders aus. Für mich ist mein Soloalbum das Negativ zu Vierkanttretlager: Es ist dieselbe Botschaft, nur ist sie auf eine ganz andere Art und Weise erzählt.

Auch wenn du den Kitsch immer haarscharf umschiffst und mit Humor, aber nie mit Ironie zur Sache gehst – hast du keine Angst, dass viele Leute dir das nicht abkaufen werden?

Leßmann: Während der Aufnahmen habe ich mir keine Sorgen gemacht, erst im Nachhinein habe ich mich gefragt, ob die Leute mir das glauben werden. Aber ich meine das so ernst, und es wäre sehr schade, wenn es als nicht glaubwürdig eingestuft wird. Schon 2012 habe ich ja dieses Liebesgedicht geschrieben, bei dem plötzlich ein neuer Ton da war, der mich daran erinnert hat, wie sehr ich als Kind von den Comedian Harmonists begeistert war. Aus diesem Gedicht ist später das Lied „Ich wünschte“ entstanden, und es hat nur so lange gedauert, weil ich mit Sebastian Madsen erst jemanden finden musste, mit dem ich das umsetzen konnte.

Bei Vierkanttretlager hast du mit den Fußnoten zu deinen Texten eine ganze Zeitung vollgeschrieben. Musstest du dich jetzt zwingen, einfacher zu texten?

Leßmann: Die pointierte Schreibweise ist jetzt näher am Gedicht und orientiert sich an Dichtern wie Erich Kästner. Während die Texte bei Vierkanttretlager offener sind, finden die Themen der Soloplatte ganz stark in meiner Lebensrealität statt. Es war sehr schnell klar, dass wir kein Retroalbum machen wollen: Musikalisch wollten wir Anleihen an die 20er, die 50er und die 60er, aber inhaltlich wollten wir uns da nicht einreihen. Für mich war es ein wichtiger Schritt, Texte zu schreiben, die sich mit unserem tagtäglichen struggle im Internet beschäftigen. Social Media war für mich immer ein unästhetisches Thema, über das man nicht schön und interessant schreiben kann. Meine große Herausforderung war es, diesen Anspruch auf Zeitlosigkeit fahren zu lassen, der ja wirklich albern ist: Meine Pflicht als Künstler ist es doch, dass umzusetzen, was mich umgibt, und ich bin der einzige, der darüber schreiben kann, wie es mir zu einer ganz bestimmten Zeit geht.

Fühlst du dich dadurch jetzt nackter auf der Bühne?

Leßmann: Irgendwie schon. Bei Vierkanttretlager habe ich mich immer ein bisschen hinter meinem 18-jährigen Ich versteckt, das wütend war und rumgeschrieen hat. Ich bin glücklich darüber, dass es das bei mir vermutlich auch weiterhin geben wird – weil es ja wichtig und schön ist, wütend sein zu können. Aber mit der Soloplatte will ich etwas erzählen, und da ist der zornige junge Mann nicht angebracht. Die Bühnenperson erfinde ich gerade, und es macht mir großen Spaß, da etwas zu entwickeln. Es fühlt sich offener an, meine Kommunikation ist zugänglicher, und bei den ersten Konzerten hat mir die Beobachtung sehr gut getan, dass es die Leute auf eine positive Art berührt.

In der Vergangenheit hast du ja darunter gelitten, eine genau abgegrenzte Hörerschaft zu haben und auf die Indieszene festgelegt zu sein.

Leßmann: Die Soloplatte ist kein Kalkül, um mehr Geld zu verdienen. Ich glaube, ich könnte andere Dinge tun, wenn das mein größtes Anliegen wäre. Aber ich freue mich darüber, dass jetzt auch meine Großeltern verstehen, was ich eigentlich ausdrücken will.

Dann würdest du auch zu Florian Silbereisen gehen?

Leßmann: Natürlich, denn ich will mich nicht verschließen und habe dieses Gefühl auch nicht: Ich bin zu gut für euch. Ich habe mich auch früher mit Leuten aus der Indieszene darüber gestritten, dass wir mit Vierkanttretlager zu „TV total“ gegangen sind. Gerade diese Leute behaupten ja gern, sie wären politisch und hätten eine Botschaft. Wenn aber Thomas Gottschalk, Stefan Raab, Florian Silbereisen oder Markus Lanz bei ihnen anrufen, dann sagen sie ab, um stattdessen in einem kleinen Club vor zehn Leuten zu spielen und sich im Kreis einen darauf runterzuholen, was für eine geile Haltung sie haben. Das ist doch scheiße und extrem armselig. Wenn ich von dem überzeugt bin, was ich mache, dann muss ich doch auch jedem Menschen die Chance geben, das zu hören. In dem Sinne war ich schon immer ein komischer Vogel und in der Indieszene nicht gern gesehen.

 

Liebe in Zeiten der Follower ist gerade erschienen.

 

Ein jeder Mensch hat heute eine lange Freundesliste

Doch wär’ sie fort, gäb’ es wenige, die ich vermisste

Es geht konkret eigentlich nur um einen Menschen

Um wen’s sich dreht, kannst du dir bestimmt schon denken

Ich wünschte, dass ich niemanden mehr kennte

Dass ich keinen Namen weiß, dass ich niemanden mehr seh’

Nur dich, nur dich, nur dich, nur dich

Ich wünschte, dass ich niemanden mehr kennte

Und ich glaube auch, dass ich niemanden mehr brauch’

Nur dich, nur dich, nur dich, nur dich

Weil ich dich favorisier’, folg’ ich keinem Menschen außer dir

Weil du mein Herz administrierst, hast du alle anderen ausradiert

aus: „Ich wünschte“

TOUR

25. 11. Köln

26. 11. Essen

27. 11. München

28. 11. Berlin

30. 11. Hamburg

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