Zum Inhalt springen

Michel Houellebecq: Unterwerfung

An der Auseinandersetzung mit „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq kommt man nicht vorbei

Natürlich wird der neue Roman des französischen Skandalautoren vor allem im Hinblick auf die Ereignisse der letzten Wochen diskutiert. Rechte, Linke, Atheisten, Muslime: Alle prügeln auf Houellebecq ein und deuten das Werk in ihrem Sinne falsch aus. Doch „Unterwerfung“ ist zu intelligent, um nicht über tagesaktuelle Polemik hinaus Bestand zu haben.

Am naheliegendsten ist es wohl, Houellebecqs Mischung aus Satire und Utopie als islamophob zu dissen: Bei den Wahlen im Jahr 2017 erzielt die Muslimbruderschaft ein gutes Ergebnis, was in Frankreich zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führt, da sich Islamisten und die „Identitären“ eine militante Gruppierung, deren Mitglieder sich als ein Ureinwohner Europas definieren und die Rettung des Abendlandes vor dem Islam proklamieren, bekämpfen. Nur eine breite Koalition kann fünf Jahre später den Wahlsieg der Front-National-Kandidatin Marine Le Pen verhindern, und ein gewisser Mohammed Ben Abbes von der Bruderschaft der Muslime wird Präsident.

Auch wenn Ben Abbes von Houellebecq als durchaus humanistisch gesinntes Staatsoberhaupt dargestellt wird, dürfte das Paris-Bild, das der Autor nach dessen Amtsantritt zeichnet, für Pegida-Anhänger als Horrorszenario genügen. Allerdings müssen die auch damit klarkommen, dass es ausgerechnet die „Identitären“ sind, die als erste konvertieren. Generell schildert Houellebecq ein oberflächliches, vereinsamendes und konsumgeiles Abendland, das einer Verteidigung nicht wert ist, und natürlich fährt er auch wieder einen Antihelden auf, der diesem Wertesystem entspringt.

Derr misanthropische Literaturwissenschaftler François kämpft mit Errektionsproblemen und interessiert sich nur noch für Wein, Kippen, Sex vom Escortservice und die Lektüre Joris-Karl Huysmans. Auch mit chauvinistischen Ansichten geizt er nicht, was darin gopfelt, dass der Atheist statt zum Katholizismus lieber zum Islam überläuft, weil er sich hier eine „Kochtopffrau“ und auch eine 15-jährige Gattin für den Sex halten kann.

Doch die Frage ist müßig, ob Houellebecq die frauenfeindlichen Ansichten des Antihelden teilt. Vermutlich tut er das. Nur hasst Houellebecq eben nicht nur Frauen, sondern alle Menschen. Und es ist gerade dieser Hass, der viele Punkte ans Tageslicht befördert, die eine Auseinandersetzung wert sind.

Beitrag teilen: