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Reeperbahn Festival: Hallo Nachbar*innen!

My Ugly Clementine machen mit ihrer Stilmischung zwischen No-Wave, Pop und Indierock das beste Argument für die Vielfältigkeit der österreichischen Musikszene beinahe im Alleingang. Aber im Programm von Austrian Heartbeats gibt es noch viel mehr zu entdecken.
My Ugly Clementine machen mit ihrer Stilmischung zwischen No-Wave, Pop und Indierock das beste Argument für die Vielfältigkeit der österreichischen Musikszene beinahe im Alleingang. Aber im Programm von Austrian Heartbeats gibt es noch viel mehr zu entdecken. (Foto: bymanifroh)

Das Reeperbahn Festival wirft mit dem Format „Austrian Heartbeats“ einen Blick auf tolle neue Musik von drüben.

Mittlerweile haben sich Bilderbuch und Wanda in das kollektive Herz aller deutschsprachiger Länder gespielt. Dass Österreich noch mehr zu bieten hat, beweist das Format „Austrian Heartbeats“, das auf dem Reeperbahn Festival jeden Tag neue Künstler aus Österreich nach vorne stellt. Dafür kann es eh keinen besseren Rahmen geben, als das Reeperbahn Festival: Auf keinem Festival kann man sich so gut zuhause fühlen, wie dort. Ideale Bedingungen also, um bei den Nachbar*innen vorstellig zu werden.

Der Mittwoch (das ist schon Morgen, also: aufgepasst!) wird schmusig. Da sind zuerst einmal die Dreampop-Newcomer Anger. Wenn man die derzeitige Musikszene Österreichs unbedingt auf die Pole Bilderbuch-Wanda reduzieren möchte, stehen Anger eher bei Bilderbuch als bei Wanda, aber auch nur beim ersten Kennenlernen. Schnell wird klar: Anger sind nochmal eine Spur loser und verträumter – Eher ein im-Bett-bleiben als im-Gras-liegen. Gleich schön sind sie allemal. Das Duo Oehl baut eine ähnlich intime Stimmung auf, sie sind dabei aber textlich leichter zu fassen: Ihre Mischung aus Indie und Soul untermalt persönliche Texte, die nahbar sind, ohne dabei wie Kalendersprüche zu klingen, und die schmusige Musik tut ihr Übriges. Schön! Lisa Pac spielt in einer ähnlichen klanglichen Gegend, jedoch sind ihre Instrumentals eine Spur hintergründiger. Während ihr Stimme einen auf Songs wie „Sunshine“ betört liefern die Schleifen aus Klavier, Synthesizern und zurückgelehnten Beats erstklassige Reibungsflächen, die einen trotzdem nicht aus dem Song werfen. Zum krönenden Abschluss gibt es am Schmusemittwoch Sketches of Duality, die ihren Spagat zwischen Soul, Jazz und HipHop mit „Stretch Music“ umschreiben. Und tatsächlich sind ihre gewundenen Spannungsbögen und vielseitigen Arrangements genau tanzbar genug, um nach der kuscheligen Dreampop-Schlafzimmerstimmung aufzustehen, sich zu strecken, und wie beim Kaffeekochen in der Küche ein paar tiefenentspannte Moves hinzulegen.

Zwischen Häkken, Grüner Jäger und Molotow geht es indes zügiger zu: Die Pop-Sensation Mathea, die derzeit die österreichischen Charts stürmt, wird wohl so schnell nicht wieder in der unmittelbaren Atmosphäre einer Location wie dem Häkken zu sehen zu sein. Hunney Pimp bringt etwas Wiener Schmäh in den Grünen Jäger, und der Postpunk von Culk dürfte im Molotow bestens aufgehoben sein.

Für den Donnerstag hat sich das „Austrian Heartbeats“ die Avantgarde-Popband 5K HD eingeladen, den Zusammenschluss aus der Jazzband Kompost 3 und der Multiinstrumentalistin/Sängerin Mira Lu Kovacs aka Schmieds Puls. Schon mit ihrem Debütalbum „And to in a“ vor zwei Jahren haben sie jedwede Supergroup-Zweifel beseitigt, und stehen jetzt in den Startlöchern, mit ihrem zweiten Album „High Performer“ und ihrer großartigen Mischung aus Indiepop und unaufdringlichen Jazzeinschlägen weiter zu begeistern. Das Popwunderkind Thorsteinn Einarsson sorgt dagegen dafür, dass bei aller Experimentierfreude auch die Freunde eingängiger Popmusik am Donnerstag nicht zu kurz kommen. 2014 machte er sein Debüt bei der Talentshow „Die Große Chance“, bei der er den dritten Platz belegte. Als große Chance erwies sich die Show trotzdem: Seitdem ist Einarssons unbemühter, zeitgemäßer Sound aus den österreichischen Charts nicht mehr wegzudenken.

Freitag spielt die Musik in der Spielbude: Den Anfang machen Atzur mit selbstbewussten Electropop-Arrangements, die auch vor Pathos nicht zurückscheuen – weil sie ihn durch geschickte Rhythmen erden und durch starke Melodien einlösen können. Miblu kontrastiert die cineastischen Klangräume mit treibenden, tanzbaren Beats und nicht minder hymnischen Refrains. Den Höhepunkt des Abends bietet aber zweifelsohne die grandiose Ausnahmerapperin Ebow mit scharfsinnigen Texten und zukunftsweisender Produktion.

Zum krönenden Abschluss am Samstag spielen die verträumten Indierock-Melancholiker von Pauls Jets auf den letzten Metern des „Austrian Heartbeats“ nochmal ein paar Ohrwurmhöhepunkte hinterher. Die junge Rapperin Keke wird sich mit ihren meisterhaften Beats und ihren entrückt-spielerischen Texten ein paar wohlverdiente neue Fans gewinnen und My Ugly Clementine machen mit ihrer Stilmischung zwischen No-Wave, Pop und Indierock das beste Argument für die Vielfältigkeit der österreichischen Musikszene beinahe im Alleingang.

Alle „Austrian Heartbeats“ Termine auf einen Blick:

18. 9.

ANGER 20 Uhr, Indra
OEHL 21 Uhr, Indra
LISA PAC 22 Uhr, Indra
SKETCHES ON DUALITY 23.30 Uhr, Indra

MATHEA 20 Uhr, Häkken (Klubhaus St. Pauli)
HUNNEY PIMP 20.30 Uhr, Grüner Jäger
CULK 21.45 Uhr, Molotow / SkyBar

19. 9.

5K HD 19.50, Indra
THORSTEINN EINARSSON 22.25 Uhr, Häkken (Klubhaus St. Pauli)

20. 9.

ATZUR 19.25 Uhr, Spielbude
MIBLU, 20.25 Uhr, Spielbude
EBOW, 21.25 Uhr, Spielbude
GERARD, 22.25 Uhr, Spielbude

21. 9.

PAULS JETS, 20.00 Uhr, Headcrash
KEKE, 20.45 Uhr, Moondoo
MY UGLY CLEMENTINE, 22.00 Uhr, Häkken (Klubhaus St. Pauli)
EBOW, 22.45 Uhr, Moondoo
MATHEA, 23.50 Uhr, Schmidtchen (Klubhaus St. Pauli)

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