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Sina Pousset: Schwimmen

Plötzlich verlangen auch die etablierten Verlage nach den dramatischen Geschichten junger Autoren – zumindest wenn sie so erzählt werden wie von der 27-jährigen Debütantin Sina Pousset.

Sina, in deinem Debüt „Schwimmen“ setzt du dich mit den ganz großen Fragen auseinander: Es geht um Krankheit, Verlust, Schmerz, um die Weitergabe von Verletzungen, das Übernehmen von Verantwortung und den Vorsatz, dass man es besser machen will als die eigenen Eltern. Dir gelingt das ohne Pathos – dabei besteht bei diesen Themen ja ein großes Risiko, in kitschige Gefilde abzugleiten …

Sina Pousset: Das war auf jeden Fall eine Gefahr und genau aus diesem Grund war es auch wichtig, dass das Buch kein 500-Seiten-Schmöker geworden ist, der sich da zu lange aufhält. Mir ging es hauptsächlich um die Bearbeitung von diesem Gefühl, das Loslassen eines geliebten Menschen. Deswegen begleite ich meine zwei bzw. drei Figuren auch nur relativ kurz bei diesem Schritt. Ursprünglich hat mich dieser Schwebezustand zwischen der Jugend und dem Erwachsensein interessiert, und ich wusste auch nicht von Anfang an, dass es um den Tod gehen wird. Es sollten drei Charaktere mit ihren Lebensvorstellungen und Idealen aufeinander prallen, und sie sollten merken, dass das Leben nicht so aufgeht, wie sie es sich vorstellen. Der Rest hat sich aus dem Schreiben und auch aus meiner eigenen Biografie ergeben, da ich relativ früh mit Verlust in Kontakt gekommen bin. Ich hätte nicht darüber geschrieben, wenn ich nicht diesen persönlichen Bezug dazu gehabt hätte.

Du verwendest eine melancholische Sprache, doch unterscheidet die sich von der lebensunfähigen Judith-Hermann-Larmoyanz, da bei dir auch immer kraftvolle Untertöne durchschimmern, die es mit dem Leben aufnehmen wollen.

Pousset: Das hoffe ich. Mir ist schon bewusst, dass es ein melancholisches Buch geworden ist, aber am Ende sollte auch die Schönheit des Lebens und eine hoffnungsvolle Aussicht zurückbleiben. Auch wenn man in jungen Jahren an so eine harte Wand prallt – in einem Moment, in dem man eigentlich so viel Energie hat und sich noch grenzenlos fühlt –, kann man trotzdem weitermachen.

Der Roman ist ein großer Schritt, denn bislang hast du vor allem journalistisch gearbeitet und ein Buch mit witzigen Geschichten aus der Welt des Fernbusreisens veröffentlicht. Hat es dich selbst überrascht, dass so ein literarischer Text in dir geschlummert hat?

Pousset: Nee, denn auch wenn ich als Journalistin arbeite oder ein Sachbuch veröffentliche, war für mich von Anfang an klar, dass ich Geschichten und Romane schreiben will. Mit der Idee zu dem Roman bin ich auch schon seit vier Jahren beschäftigt. Ich versuche das sehr strikt zu trennen, denn für mich sind das zwei verschiedene Quellen, die ich da anzapfe. Meine journalistischen Texte sind in einer ganz anderen Sprache verfasst. Natürlich mache ich mich jetzt verletzlicher. Beim Schreiben von Romanen kommen eine Sprache und auch Inhalte raus, die ich sonst verschlossen halte und zu schützen versuche.

„Schwimmen“ erscheint in der neu gegründeten Reihe Ullstein fünf. Ein ungewöhnliches Projekt, da es in letzter Zeit ja leider eher selten geworden ist, dass sich ein großer Verlag für junge Literatur stark macht.

Pousset: Ich bin total stolz, in diesem Imprint zu erscheinen und finde es eine wahnsinnig tolle Idee, dass der Verlag damit wieder verstärkt junge und auch ungewöhnliche Literatur fördert. Natürlich gibt es tolle Indieverlage, aber für einen großen Verlag ist so etwas ein großes Problem, da eine Riesenindustrie dranhängt, bei der es um große Summen und viele Jobs geht. Natürlich weiß man, dass sich Liebesromane und Krimis gut verkaufen, und in den letzten Jahren ist auch der Anteil von Übersetzungen rasant angestiegen.

Trotzdem konntet ihr in nur einem Jahr schon große Erfolge verzeichnen.

Pousset: Es ist toll, dass Ada Dorian letztes Jahr beim Bachmannpreis lesen durfte und Robert Prosser jetzt auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis gelandet ist. Wenn nur fünf Bücher pro Saison veröffentlicht werden, liest man die Texte der Kollegen natürlich sehr aufmerksam und der Zusammenhalt ist groß. Viele der Autoren sind in meinem Alter und da kann man sich natürlich super austauschen.

Interview: Carsten Schrader

Jan und Milla kennen sich seit Kindertagen. Bei einem gemeinsamen Urlaub mit Jans neuer Freundin Kristina kommt es zu emotionalen Komplikationen, und es ereignet sich ein tragischer Vorfall, den Jan nicht überlebt. Die beiden jungen Frauen gehen ganz unterschiedlich mit ihrer Trauer um: Während Kristina sich in die Psychiatrie zurückzieht, stürzt Milla sich ins Leben und zieht Kristinas Tochter groß.

Sina Pousset Schwimmen

Ullstein fünf, 2017, 224 S., 18 Euro

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