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The XX: I see you

Perfektes Timing: The XX präsentieren die geforderte Weiterentwicklung mit fünf Jahren Verspätung

Natürlich war auch ihre zweite Platte extrem erfolgreich, trotzdem mussten The XX für „Coexist“ viel Kritik einstecken: Immer wieder war vom Nummer-sicher-Album die Rede, das einfach nur die fragile Mixtur aus spärlichen, in der Luft hängenden Wavegitarrenakkorden und R’n’B-Sprengseln wiederholt. Doch selbst wenn es damals vor allem darum ging, irgendwie den Druck auszuhalten, die wohl stilprägendste Band des Jahrzehnts zu sein: In Sachen Songwriting haben sie die Qualität des Debüts gehalten, und mit Stücken wie „Reunion“ oder „Swept away“ gab es durchaus schon spannende Ausreißer, die den Fokus ganz sanft in Richtung Clubmusik verschoben haben. Vermutlich brauchten sie „Coexist“ zur Selbstvergewisserung, um jetzt mit Album Nummer drei genau das Werk abzuliefern, das viele schon vor fünf Jahren erwartet haben: „I see you“ ist die perfekte Schnittstelle zwischen dem angestammten XX-Sound und den clubbigen Alleingängen von Strippenzieher Jamie Smith alias Jamie XX. Extrovertiertere Songs wie der Opener „Dangerous“ oder „I dare you“ können spielend mit der um ein Sample von Hall & Oates gebauten Vorabsingle „On Hold“ mithalten, und doch bietet das forschere Soundbild auch nach wie vor Raum für herzzerreißende, melancholische Momente, allen voran die Ballade „Performance“, in der Sängerin Romy Madley Croft von Momenten berichtet, in denen sie privaten Schmerz wegdrücken muss, um auf der Bühne zu funktionieren. Nörgler, die nun die fehlende Tiefe von „I see you“ beklagen, wird es vermutlich trotzdem geben – und vermutlich werden es genau diejenigen sein, die bei „Coexist“ am lautesten eine Weiterentwicklung gefordert haben. Doch am Ende werden sie zugeben müssen, dass sie nur noch länger brauchen als die Band selbst, um sich von der Vorhersehbarkeit zu lösen. cs

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