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Tom Schilling & The Jazz Kids: Vilnius

Als Musiker ist Tom Schilling sehr viel überzeugender als die meisten seiner Schauspielerkollegen. Das könnte daran liegen, dass er sich für die Texte von „Vilnius“ an Rammstein orientiert hat.

Als Musiker ist Tom Schilling sehr viel überzeugender als die meisten seiner Schauspielerkollegen. Das könnte daran liegen, dass er sich textlich von Rammstein inspirieren lässt.

Tom, jetzt bist du also auch ein musizierender Schauspieler …

Tom Schilling: Ich habe große Angst davor, ungerecht behandelt und vorschnell abgestempelt zu werden. Natürlich kann ich die geringe Erwartung nachvollziehen, und wenn jemand mit meiner Musik nichts anfangen kann, habe ich auch kein Problem damit – nur möchte ich, dass richtig hingehört wird.

Würdest du dich denn selbst als Musiker bezeichnen?

Schilling: Wenn es um Fertigkeiten und Musikalität geht, dann wohl eher nicht. Aber wenn es darum geht, dass ich Songs schreibe, um etwas zu verhandeln, dann bin ich vielleicht einer.

Musikalisch und auch textlich erinnern die Songs auf „Vilnius“ an die Anti-Liebeslieder von Nick Cave, der ja auch ein großer Held von dir ist. Hast du dir die Musikerpersönlichkeit Tom Schilling bei ihm abgeschaut?

Schilling: Es gibt keine Musikerpersönlichkeit. Anders als beim Schauspielern interpretiere ich hier keine Vorgabe, die ich durch mich hindurch auf eine andere Ebene hieve. Ich bin das weiße Papier und benutze mich selbst. Während Nick Cave ja eigentlich eine Kunstfigur ist, orientiere ich mich in dieser Hinsicht eher an Leonard Cohen.

Alltagssprache kommt in deinen Texten allerdings nicht vor.

Schilling: In der Popmusik lehne ich Alltagssprache ab, weil den Songs dadurch Kontur, Schärfe und Genauigkeit genommen wird. Sprachlich haben mich die frühen Sachen von Sven Regener und Till Lindemann inspiriert – auch wenn Rammstein natürlich ganz andere Themen verhandeln als ich. Meine Texte sind persönlich, aber nicht privat. Natürlich sollen sie für mich eine Bedeutung und eine Dringlichkeit haben, aber gleichzeitig versuche ich, sie auch auf eine andere Ebene zu bringen, die nicht so viel mit mir zu tun hat.

Du bist nicht gerade als Großkotz bekannt. Wie hast du dich selbst dazu gebracht, den Sänger zu geben?

Schilling: Als wir mit Moses Schneider im Studio waren, hatte ich anfangs extreme Angst, als jemand entlarvt zu werden, der absolut gar nichts kann. Irgendwann war aber das Selbstbewusstsein da, dass es doch eigentlich egal ist, wie man singt und ob man ein schlechtes Timing hat. Indem ich meine Geschichten erzähle, gleiche ich das aus.

Trotzdem ist es sehr mutig von dir, dich mit einer Band zusammenzutun, in der so versierte Musiker spielen.

Schilling: Ich bin mit Abstand der Untighteste – was aber in erster Linie für die anderen schwierig ist. Sie müssen sich auf mich und meinen Vortrag einstellen. Und sie dürfen nicht zu perfekt spielen, weil mich das dann doof aussehen lässt.

Wird es dir als Schauspieler leichter fallen, auf der Bühne den Entertainer zu geben?

Schilling: Mit der Platte fühle ich mich sehr viel wohler als bei Konzerten, was wohl mit dem geschützten Rahmen zusammenhängt. Live muss ich meinen Ausdruck erst noch finden. Bei unserer ersten Tour hatte ich immer das Gefühl, ich müsse charmant sein und die Stücke ansagen. Aber ich fühle mich merkwürdig, wenn ich versuche, dem Bild eines Musikers zu entsprechen und in irgendwelche Posen verfalle. Ich will mit der größtmöglichen Wahrhaftigkeit auf die Bühne geben, und da kann es eben auch passieren, dass ich kein Wort sage oder bestimmte Lieder nicht spiele, weil es für mich gerade nicht passt und sich nicht gut anfühlt.

Interview: Carsten Schrader

 

Der Musiker Tom Schilling: Seine erste Gitarre bekam der 35-jährige Schauspieler kurz nach der Jahrtausendwende vom späteren „Oh Boy“-Regisseur Jan-Ole Gerster geschenkt. Schilling lernte Gitarre und Klavier autodidaktisch und fing an, eigene Stücke zu komponieren.

Die Band The Jazz Kids: Wenn sie unter ihrem eigentlichen Namen Major Minors auftreten, spielen die vier Musiker tatsächlich Jazz. Schilling freundete sich mit ihnen an, als sie den Score für den Film „Oh Boy“ eingespielt haben.

Der Produzent Moses Schneider ist für den Livesound seiner Aufnahmen bekannt, mit dem er auch Tocotronics Meisterwerk „Kapitulation“ geprägt hat.

Das Cover stammt von Gerhard Richter. Der Maler gibt seine Bilder extrem selten als Albumcover frei. Neben „Vilnius“ zählt auch „Daydream Nation“ von Sonic Youth zu den Ausnahmen.

Für Fans von: Nick Cave, Element Of Crime, Hank Williams, Tom Waits, Rio Reiser

Die Texte

Manchmal bring ich dich zum Weinen, manchmal raub’ ich den Verstand /

Manchmal bin ich nicht zu greifen, doch du reichst mir deine Hand /

Ich liebe, was du fühlst, und ich liebe, was du sagst /

Es wird schwer dich zu vergessen, wenn du mich nicht mehr magst /

(aus: „Schwer dich zu vergessen)

Trink endlich aus, und dann mach, dass du gehst /

Nimm dir den Koffer – pack’ alles ein – und mach, dass du gehst /

Deine Sätze sind hohl – deine Versprechen sind leer /

Und schön find’ ich dich schon seit Jahren nicht mehr /

(aus: Kein Liebeslied“)

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