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Toni Erdmann

Der Liebling beim Filmfest in Cannes und bald auch im deutschen Kino: Maren Ades Komödie „Toni Erdmann“. Wir haben mit der Regisseurin gesprochen.

Jubel, Trubel, Heiterkeit: Als im Mai nach acht Jahren endlich mal wieder ein deutscher Film im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes lief, war die Freude schon mal groß. Als Maren Ades Vater-Tochter-Komödie „Toni Erdmann“ dann auch noch der Liebling der Festivalgemeinde und Favorit auf die Goldene Palme wurde, kannte die Begeisterung kaum noch Grenzen. Als der Film bei der Preisverleihung dann allerdings überraschend komplett leer ausging, mochte sich trotzdem keiner so richtig aufregen und alle freute sich lieber weiter, dass das deutsche Kino ein Stück weit seine internationale Konkurrenzfähigkeit zurückerobert hat. Und jetzt haben auch wir endlich die Gelegenheit, diese berührend-skurrile Geschichte zu sehen, die vom Musiklehrer Winfried (Peter Simonischek) erzählt, der seine entfremdete Karrieristentochter Ines (Sandra Hüller) spontan bei der Arbeit in Bukarest besucht, nach einer eher ablehnenden Reaktion seiens Sprosses abhaut und einfach nochmal auftaucht: mit falschen Zähnen und Perücke und dem Namen Toni Erdmann drängt er sich zurück in Ines‘ Leben und stellt das Leben der taffen Unternehmensberaterin ganz schön auf den Kopf …

Regisseurin Maren Ade im Gespräch mit kulturnews

Maren, wie enttäuscht warst du, dass „Toni Erdmann“ bei der Preisverleihung der Filmfestspiele von Cannes leer ausgegangen ist?
Maren Ade: Ehrlich gesagt war ich so zufrieden mit all dem, was vorher passiert ist, dass ich mir dachte: Es wäre doch kleinkariert, sich jetzt zu ärgern. Jurys sind unabhängig, und das sollen sie auch sein.

Als der Film in Cannes gefeiert wurde, war in der deutschen Presse immer wieder von einer Rettung des deutschen Kinos zu lesen. Muss der deutsche Film denn gerettet werden?
Ade: Ich finde zumindest, dass ein bestimmter Typ künstlerischer Film mehr gefördert werden muss, denn sonst gibt’s ihn nicht. Die Mittel des BKM wurden ja erhöht, das halte ich auf jeden Fall für eine gute Entscheidung – man muss die Chance haben, etwas auszuprobieren. Das kostet natürlich Geld, aber wenn man es richtig einsetzt, kann dadurch eine ganz andere Qualität erzeugt werden.

Wie war das im Fall von „Toni Erdmann“?
Ade: Es war nie schwer, das Projekt finanziert zu kriegen, da kann ich mich persönlich nicht beklagen. Dass „Alle anderen“ (Ades letzter Film v. 2009, Anm. d. Red.) für einen relativ sperrigen Film verhältnismäßig erfolgreich war, hat sicherlich dazu beigetragen. Viele Filme, die im vergangenen Jahr gefeiert wurden, sind zum Teil aus einer Antihaltung heraus entstanden. Zum Beispiel „Victoria“: Der war auch riskant und hatte kaum Budget, obwohl Sebastian Schipper schon vorher tolle Filme gemacht hat. Ich finde es wichtig, dass man den Autor stärkt und einem spannenden Filmemacher auch einfach mal vertraut – und nicht nur nach aktuellen Themen sucht oder den x-ten Historienfilm macht.

Du hast dich für eine Quote für Regisseurinnen ausgesprochen. Hat allein schon die Debatte darum etwas bewirkt?
Ade: Ja, ich glaube schon. Im Fernsehen gibt es dieses Modell zum Teil ja schon. Gerade dort, wo es viel um Handwerk oder eine bündige Vita geht, muss man aufpassen, dass Frauen den Anschluss nicht verpassen.

All deine Filme sind sehr genau in der Beobachtung und Zeichnung der Figuren und ihrer Lebensumstände. Vergeht auch deshalb so viel Zeit zwischen deinen Filmen, um diese Genauigkeit zu erreichen?
Ade: Ich möchte einerseits, dass das Spiel sehr unmittelbar und leicht ist, andererseits bin ich aber genau, was bestimmte Inhalte angeht. Daraus entsteht manchmal auch ein Widerspruch, und es dauert dann seine Zeit, bis man das in Einklang bringen kann.

Die Geschichte, die du erzählst, birgt eine gewisse Fallhöhe: Alt-68er-Vater besucht seine Karrieristentochter in Budapest, sie streiten sich ob ihrer verschiedenen Ideale, kommen sich aber langsam näher. Wie ist es dir gelungen, Klischeefallen zu umgehen?
Ade: Natürlich spiele ich auch mit den Klischees. Der Schlüssel ist, dass man die Figuren ernst nimmt und auch die Nebenrollen ausbaut. Zum Beispiel ist Ines‘ Chef ja nicht nur Chef, sondern man merkt, dass er darunter vielleicht auch Unsicherheiten hat. Es ist wichtig, dass jede Figur auch Mensch sein kann.

… und nicht auf eine Funktion heruntergebrochen wird.
Ade: Genau! Die Figuren dürfen nicht einfach nur eine dienende Funktion haben, zum Beispiel nur, um die Hauptfigur einzuengen. Ich versuche beim Schreiben sehr darauf zu achten, es mir selbst nicht zu einfach zu machen.

In anderen Filmen über Vater-Tochter-Konflikte werden immer Geschehnisse von früher ausdiskutiert. In „Toni Erdmann“ vollzieht sich der Konflikt komplett im Jetzt. Warum hast du dich dafür entschieden, die Vergangenheit vage zu halten?
Ade: Für mich ist das einfach unfilmisch. Was soll man damit anfangen? Film bedeutet für mich auch, dass in dem Moment etwas passiert, dem man direkt beiwohnt. Wenn dann aber irgendwelche Anekdoten auf den Tisch gelegt werden, nimmt das sofort die Möglichkeit, dass es universell bleibt.

Komik und Traurigkeit sind in „Toni Erdmann“ untrennbar miteinander verzahnt. Wie meistert man den Spagat, einen berührenden und überhaupt nicht albernen Film zu drehen, in dem Furzkissen, Nacktpartys und falsche Gebisse eine Rolle spielen?
Ade: Für mich ist weniger der Film eine Komödie, sondern der Vater spielt eine Komödie für seine Tochter. Der Film selbst ist in meinen Augen eher ein Drama. Es war mir wichtig, dass es logisch bleibt und man jeden Schritt mitgehen kann – man muss das ernsthafte Anliegen und die Verzweiflung eben immer mitdenken.

Interview: Siegfried Bendix

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