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Vegard Vinge und Ida Müller: Nationaltheater Reinickendorf, Berlin

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(Foto: © Roman Hagenbrock)

Radikale Exzesse: Vegard Vinge und Ida Müller inszenieren ein Nationaltheater

Zu glauben, Kunst müsse immer radikal daherkommen, ist nicht falsch, wenn auch romantisch verkürzt. Aber wenn man so denkt, dann ist das Auftauchen von Regisseur Vegard Vinge und Bühnenbildnerin Ida Müller Anfang des Jahrzehnts in der Berliner Theaterszene eine Offenbarung.

Vinge inszenierte damals an der Volksbühne Ibsens „John Gabriel Borkman“, scherte sich (zumindest auf den ersten Blick) weder um den Inhalt der Vorlage noch darum, was man von einer ordentlichen Dekonstruktion erwartete, ließ die einzelnen Aufführungen auf bis zu zwölf Stunden Spieldauer anschwellen, pinkelte sich selbst in den Mund, beleidigte den damaligen Intendanten Frank Castorf und schuf so ein Totaltheater, das weder sich noch den Zuschauer schonte. Das allerdings auch keine echte Entwicklung ermöglichte: Schon die zweite Volksbühnen-Arbeit Vinges, „12-Spartenhaus“, war im Grunde konsequente Arbeitsverweigerung, bei der sich der Künstler im Theaterraum einschloss und keinerlei Signale ans (nach erstem Interesse ohnehin ausbleibende) Publikum mehr schickte.

Das gehört nämlich ebenfalls zum romantischen Bild des radikalen Künstlers: Dass der sich selbst verbrennt, und nahezu zwangsläufig scheitern muss. Aber sind Vinge und Müller gescheitert? Nach „12-Spartenhaus“ folgte erst einmal nichts mehr.

Das neue Festival „Immersion“ aber hat die beiden Künstler noch einmal ausgegraben, in den grundsätzlichen kulturfernen Berliner Wohnbezirk Reinickendorf verfrachtet und ihnen dort die Möglichkeit gegeben, ein „Nationaltheater“ einzurichten. Ein radikales Nationaltheater.

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